Donnerstag, 10. August 2023

Strom-Ernte


"Die Sonne schickt uns keine Rechnung" schrieb Franz Alt im Jahre 2009.

Dieser Text handelt von einer Solaranlage, einem Balkonkraftwerk, das seit etwa 3 Monaten läuft. Und meine Erfahrungen mit dieser Form der lokalen Stromerzeugung möchte ich hier darstellen. Dabei wird es auch um das Thema Geld gehen.

Dieses Balkonkraftwerk besitze ich seit Anfang Mai: 2 Solarpanele für ein Flachdach, wobei ich mehr dafür bezahlt habe, als diese Anzeige sagt. So ist diese Branche. Vor einem Jahr war nichts lieferbar, und jetzt gibt es einen Preiskrieg.

Das alles steht jetzt auf dem Garagendach und wurde ordnungsgemäß befestigt und verdrahtet. Die elektrische Seite wurde vorgenommen und abgenommen von einem Elektriker. Sogar mit Wielandsteckdose, wie dies die Stadt Wiesbaden vorschreibt. Dafür fördert die Stadt Wiesbaden eine solche Anlage mit 300 €.


Neugierde

Wieviel Strom liefert die Anlage? Zu welcher Zeit liefert die Anlage Strom? Was kann ich mit diesem Strom machen? Und rechnet sich diese Anlage?

Die Frage nach der Menge an erzeugtem Strom kann man leicht beantworten:


Die Hardcopy vom Bildschirm wurde am 26.7. um 15:36 Uhr gemacht. Und zu diesem Zeitpunkt lieferten die Solarpanele 640W an den Wechselrichter, der davon 612W ins Stromnetz einspeiste. Das ist natürlich ein Spitzenwert, denn zum Moment der Aufnahme herrschte ziemlich gutes Wetter und die Sonne schien auf die beiden Panele. Es gibt da auch andere Werte, die erzeugt werden, z.B. zu einer anderen Uhrzeit oder bei Bewölkung, dazu später mehr.

Und da dies nur eine Momentaufnahme darstellt suche ich nach Möglichkeiten, die Anlage beständig zu überwachen. Gesucht und gefunden, und die gemessenen und gespeicherten Werte für den Monat Juli möchte ich Ihnen hier präsentieren.

Die Solarpanels liefern Gleichstrom, der in Wechselstrom umgewandelt werden muß. Diese Aufgabe übernimmt der Wechselrichter, in meinem Fall ein Hoymiles HM600. Für die Überwachung dieses Geräts gibt es Erweiterungen, die man zusätzlich kaufen kann. Aber das war mir zu teuer und die Daten werden auch noch nach China transferiert. Deshalb habe ich mich umgeschaut und bin auf folgende Schlagworte gestossen: AhoyDTU und OpenDTU. Für ein paar Euros plus etwas basteln erhält man eine Lösung zur Überwachung der Solarpanels. Ich habe mich für die AhoyDTU entschieden, einfach mal so. Für dieses Gerät gibt es hier eine Anleitung:


Nach Auswertung der von der AhoyDTU gelieferten Daten kann ich für den Monat Juli 2023 folgende Werte berichten:


Sie sehen die erzeugte Strommenge für jeden einzelnen Tag des Monats Juli. Und Sie sehen starke Schwankungen in der Erzeugung. Insgesamt wurden im Juli 71 kWh Strom geliefert. Das Minimum lag bei 365 Wh an einem Tag (am 27.7.), das Maximum lag bei 3.536 Wh an einem Tag (am 6.7.), also ein Unterschied um einen Faktor 10.

Ich möchte Ihnen die Ergebnisse pro Minute zeigen, also zu einer festen Uhrzeit über den gesamten Monat:


Berechnet wurde die jeweilige erzeugte Strommenge in einer Minute, summiert über den Monat und anschliessend gemittelt. Ein Beispiel: Für die Zeit von 12:30 Uhr wurden die Werte über alle Tage vom 1. bis 31. Juli aufsummiert und die Summe anschliessend durch 31 dividiert. Dies wurde für jede Minute zwischen 5:00 und 21:59 Uhr gemacht. Das ergab dieses Bild.

In der Grafik sehen Sie einen steilen Anstieg der Kurve beginnend um 12:30 Uhr. Die Panele stehen so, daß die Sicht nach Osten durch die Hauswand verhindert wird, so daß die Sonne erst ab ca. 12:30 Uhr auf die Panele scheinen kann. Somit liefern die Panele erst ab 13 Uhr die maximal mögliche Leistung. Aber die Hauswand bleibt sehen!

Vergleichen wir einmal die beiden Tage mit maximalem (6.7.) und minimalem (27.7.) Ertrag. So sehen diese Daten aus:


Sie sehen, dies ist eine beachtliche Differenz.


Technik

Für die Überwachung der Anlage habe ich mehrere Teile Hard- und Software eingesetzt:
  • als Hardware die AhoyDTU sowie einen Raspberry Pi als Computer
  • für die AhoyDTU gibt es Software, die man von der angegebenen Stelle erhält
  • auf der Software-Seite gibt es ausserdem noch eigene Skripte in Python
  • und am Ende wurden die Grafiken in LibreOffice Calc erzeugt

Die AhoyDTU hatte ich bereits erwähnt. Sie befindet sich in der Garage, während die Panele auf dem Garagendach stehen. Sie ist per WLAN in mein hausinternes Netz eingebunden.

Python ist eine Programmiersprache. In dieser Sprache habe ich ein Skript geschrieben, das die aktuellen Daten von der AhoyDTU abfragt. Das Skript läuft auf einem Raspberry Pi und schreibt die Daten auf eine angeschlossene Platte. Das Betriebssystem des RasPi startet dieses Skript jede Minute zwischen 5:00 und 21:59 Uhr (ein cron-job). Pro Tag ergeben sich somit 1020 Datensätze (=Dateien auf der Platte). Da der Monat Juli 31 Tage hat, liegen auf der Platte jetzt über 30.000 Dateien mit einer Gesamtgröße von 31 MB.

Nach Ablauf des Juli habe ich die Dateien ausgewertet. Dazu gibt es weitere Skripte in Python, die diese Dateien durchsuchen und die Summierungen usw. vornehmen.

Und am Ende erstellte mir Libre Office Calc die Grafiken.


Fehler

Welche Fehler können nun in den Daten und in meinen Berechnung stecken?

Beginnen möchte ich mit dem Wechselrichter. Dieser braucht Strom für die Arbeit, die er leistet. Dies ist kein Fehler sondern ein Verlust, der mit etwa 5% der in den Wechselrichter eingespeisten Strommenge beziffert wird. Ansonsten verlasse ich mich auf die Zahlen des Wechselrichters.

Meine Skripte fordern jede Minute Daten aus dem Wechselrichter an. In den ersten Tagen der Überwachung begann dies erst ab 6 Uhr in der Früh (mein Fehler), so daß die Daten für die Zeit von 5 bis 6 Uhr fehlen. Die fehlenden Daten habe ich durch 0 ergänzt, dies dürfte auch der korrekte Wert gewesen sein.

Die Daten gehen vom Wechselrichter zur DTU und von dort zum RasPi und werden von diesem auf Platte geschrieben. Nun hatte sich für einige Stunden das Netzwerk aufgehängt, so daß keine Daten geschrieben wurden. Die Summe für diesen Tag konnte ich aus den Werten vom Tag davor und danach errechnen und habe sie so eingetragen. Die fehlenden Werte für die jeweiligen Minuten konnte ich nicht errechnen, ich habe sie mit 0 angesetzt. Der dadurch entstehende Fehler liegt bei etwa 3%.

Die AhoyDTU hat sich einmal aufgehängt. Hier half ein Kaltstart weiter. Es fehlten die Daten für etwa 3 Stunden, die ich ebenfalls durch 0 ersetzt habe.

Im Messzeitraum erhielt die DTU 4mal keine Daten vom Wechselrichter, eine vernachlässigbare Fehlergröße.

In LibreOffice Calc wurden die Zahlen mit einer Nachkommastelle angezeigt. Bei Summierung wurde aber die Zahl in der internen Genauigkeit verwendet. Daraus kann sich in der Darstellung ein kleiner Fehler ergeben.

Die Daten sind somit mit einem Fehler <5% behaftet. Bitte berücksichtigen Sie dies bei eigenen Bewertungen.


Bürokratie

Das Balkonkraftwerk ist ordnungsgemäß angemeldet, sowohl bei der Netzagentur und auch hier in Wiesbaden. Etwa 14 Tage nach Anmeldung kam ein Mitarbeiter von ESWE Netz und tauschte den alten Zähler (der mit rotierender Scheibe) gegen einen digitalen Zähler aus. Im alten Zähler konnte man zusehen, wie die Scheibe manchmal stehen blieb oder sogar rückwärts lief, wenn die Solarpanele zu viel Strom erzeugten und der Strom in das normale Stromnetz eingespeist wurde. Mit dem digitalen Zähler ist dies jetzt vorbei. Schade.

Der Juli war der erste Monat mit neuem Zähler und lauffähiger DTU, weshalb dies der erste Monat mit Zahlen ist. Insgesamt wurden im Monat Juli ca. 150 kWh Strom vom Energieversorger bezogen. Ausserdem wurde vom Balkonkraftwerk ca. 70 kWh Strom erzeugt, von denen 20 kWh als 'Spende' an den Energieversorger gingen. Somit wurden 50 kWh im Haus verbraucht. In der Summe macht dies einen Verbrauch von 200 kWh im Juli und somit wurden etwa 25% der elektrischen Leistung von den Solarpanelen geliefert. Bezahlen muß ich die 150 kWh, die ich vom Stromlieferanten bezogen habe. D.h. der variable Teil der Rechnung des Energieversorgers reduziert sich damit um 25%. Mal schaun, wie dies in den anderen Monaten aussieht.

Die Stadt Wiesbaden fördert eine solche Anlage mit 300€ (siehe: Gewusst wie: Solarstrom von Ihrem Balkon). Der Antrag auf Förderung bei der Stadt Wiesbaden läuft, das Geld wurde aber noch nicht überwiesen (Stand: 5.8.2023, sind ja erst 8 Wochen seit Antragsstellung). das Geld wurde am 25.8. überwiesen. Angekündigt war die Überweisung nach 4 bis 6 Wochen nach Antragstellung, aber es waren dann doch 4 plus 6 Wochen. Naja.


Vor 100 Jahren

Im Jahre 1923 wurde Albert Einstein der Nobelpreis für Physik überreicht. Grund des Nobelpreises war die Beschreibung des photoelektrischen Effekts, der lang vor Einstein entdeckt worden war (siehe Nobelpreis 1921: Für die Solarzelle, nicht für die Bombe). Hier können Sie den Text, der zum Nobelpreis führte, nachlesen: Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichts betreffenden heuristischen Gesichtspunkt.. Die Geschichte der Photovoltaik finden Sie hier: Geschichte der Photovoltaik.

Sie sehen, es war ein langer Weg von der Entdeckung des Effekts bis zu den Solarpanels auf meiner Garage.


Bewertung

Eine Einsparung von 25% bei den variablen Stromkosten ist doch schon mal nicht schlecht. Nun war dies der Monat Juli, im November oder Dezember wird dies sicherlich ganz anders aussehen. Und auch für den Juli sind die Zahlen kritisch zu bewerten.

Morgens nach dem Aufstehen benötige ich meinen Kaffee, sonst komme ich nicht in die Gänge. Also wird die Kaffeemaschine angeworfen, die etwa 1000W braucht. Meine Solarpanels liefern um diese Uhrzeit aber nur 30, vielleicht sogar mal 70 W. Kein Kaffee? Nein, da muß der Strom vom lokalen Versorger bezogen werden.

Auch Waschmaschine, Geschirrspüler, Herd, Backofen usw. kann ich mit meinen Solarpanels nicht betreiben, da bin ich immer auf den Stromversorger angewiesen. Und abends vor dem Fernseher sitzen geht mit den Solarpanels auch nicht, sofern man diese alleine betrachtet. Mein Fernseher benötigt etwa 200W, die Panele liefern gegen 20 Uhr aber vielleicht noch 30W.

Und wehe, eine Wolke schiebt sich zwischen Sonne und Solarpanele. Dann fällt die erzeugte Strommenge von 600W auf unter 200W. Die Stromversorgung ist so nicht verlässlich.

Zur Verlässlichkeit der Stromversorgung werfen Sie bitte einen Blick auf die obige Grafik mit den Max- und Min-Werten. Darf ich an einem Tag wie dem 27.7. (= Tag mit minimalem Ertrag) keinen Strom verbrauchen?

Und mein Elektroauto kann ich über die Panele nicht laden, denn die Wallbox liefert 11 kW, die Solarpanels aber nur max. 0,6 kW. Beim Akku des Autos mit etwa 70 kWh benötige ich etwa 100 Stunden meines Solarstroms, wobei die Sonne dann mit voller Kraft auf die Solarpanele scheinen muß, und das 100 Stunden lang, ohne Unterbrechung. Unrealistisch.

Den Traum von der Autarkie können sie gleich beerdigen. Mit diesen beiden Solarpanelen wird das nix.

Wobei: die Waschmaschine läuft nur noch Nachmittags. Dann liefern die Solarpanele einen schönen Beitrag zum Strombedarf der Waschmaschine. Den würde ich sonst 'spenden'. Allerdings muß man diese Möglichkeit auch haben, den Zeitraum für die Waschmaschine wählen zu können.

Im Juli habe ich somit etwa 25% weniger Strom vom Stromanbieter bezogen. Somit bezahle ich für den Juli etwa 25% weniger an den Stromversorger. Wie findet der Stromversorger das, wenn er in diesem Umfang weniger Geld einnimmt?

Würde ich diese Anlage erneut kaufen und aufbauen? Ja, das würde ich.