Donnerstag, 23. April 2020

Berechnungen (mit social distancing)


Seit etwa 5 Wochen bestehen die Maßnahmen zu Kontaktverbot (social distancing). Greifen diese Maßnahmen? Und was bedeutet dies für die nächsten Wochen und Monate? Es ist also an der Zeit, die Zahl der mit Coronavirus Infizierten erneut anzusehen und mit meinen eigenen Berechnungen abzugleichen, diese Berechnungen möglicherweise zu korrigieren.


Vorbemerkung

Ich bin kein Biologe oder Mediziner, kein Virologe oder Epidemiologe oder sonst etwas in dieser Richtung. Ich bin nur Software-Entwickler, aber ich möchte mir die bekannten Daten ansehen, analysieren und einige Anmerkungen dazu machen.


Aktualisierung

Hier sehen Sie die Zahl infizierter Menschen in Deutschland bis zum 23.04.2020:



Exponentielles Wachstum

In einem früheren Text hatte ich diese Kurve beschrieben als exponentielles Wachstum. Streng genommen ist diese Aussage falsch, auch wenn es überall so bezeichnet wird und auch von mir so bezeichnet wurde. Denn die Kurve der Zahl der infizierten Personen wächst idealtypisch in dieser Form:


Diese Kurve nennt man eine Sättigungskurve, denn mehr als alle Bürger in Deutschland kann das Virus nicht anstecken. Allgemein nennt man dies eine logistische Funktion und Wikipedia schreibt dazu:

Die logistische Funktion (...) beschreibt den Zusammenhang zwischen der verstreichenden Zeit und einem Wachstum, beispielsweise einer idealen Bakterien­population. Hierzu wird das Modell des exponentiellen Wachstums modifiziert durch eine sich mit dem Wachstum verbrauchende Ressource – die Idee dahinter ist also etwa ein Bakteriennährboden begrenzter Größe.

Quelle: Text zu Logistische Funktion in der Wikipedia

Und was in diesem Text als Bakteriennährboden bezeichnet wird, das sind für das Corona-Virus die Menschen.

Zu Beginn lässt sich diese Kurve sehr schön durch ein exponentielles Wachstum beschreiben, weshalb der Verweis auf die Exponentialfunktion nicht falsch ist. Es ist halt nur eine Annäherung an diese Kurve, aber die Darstellung als Exponentialfunktion verdeutlicht das Wachstum sehr deutlich. In der Wikipedia finden Sie eine Darstellung der Exponentialfunktion inkl. einer Darstellung der Kurve, an der Sie die Unterschiede beider Kurven erkennen können.


Verdopplungszeit

In den Nachrichten wird immer der Begriff Verdopplungszeit erwähnt. Darunter versteht man die Anzahl Tage, in denen sich die Zahl der Fälle verdoppelt. In meinen früheren Texten hatte ich eine Prognose gewagt, und mit den bis zum 23.4.2020 vorliegenden Daten möchte ich meine früheren Prognosen darstellen, eine neue Berechnung anstellen und diese Kurven einander gegenüberstellen:

Versuch div. Prognosen
Verdopplung
in 3 Tagen
Verdopplung
in 7 Tagen
Verdopplung
in 23 Tagen

In den 3 Bildern wird die Entwicklung der Fallzahlen jeweils in blauer Farbe dargestellt, also der Zahl der positiv getesteten Menschen in Deutschland. Auf dieser Basis habe ich eine erste Berechnung durchgeführt, die von einer Verdopplungszeit von 3 Tagen ausging. Diese Kurve sehen Sie in roter Farbe im ersten Bild. Für einen bestimmten Zeitraum stimmten offizielle Fallzahlen und meine Berechnungen überein, aber Sie erkennen auch, daß die beiden Kurven voneinander abweichen. Beginnend mit dem 22.3.2020 habe ich eine neue Berechnung durchgeführt und bin bei dieser Berechnung von einer Verdopplungszeit von 7 Tagen ausgegangen. Im zweiten Bild wird diese Kurve dargestellt in gelber Farbe. Auch hier erkennen Sie, daß diese Kurve die Entwicklung gut beschreibt, aber nach einigen Tagen von der realen Entwicklung abweicht.

Beginnen mit dem 3.4.2020 habe ich eine neue Berechnung durchgeführt und bin dabei von einer Verdopplungszeit von 23 Tagen ausgegangen. Diese Kurve wird in grün gezeichnet (siehe 3. Bild).

Anhand der Kurven erkennen Sie, daß eine Verlängerung der Verdopplungszeit eine gute Sache ist, auch wenn sie sich als Abweichung von meinen Prognosen darstellt (und ich mich somit geirrt habe).


Schachbrett

Sie kennen die Geschichte mit dem Schachbrett und dem Reiskorn? Auf das erste Feld wird ein Reiskorn gelegt, auf das nächste Feld dann 2, auf das nächste Feld dann 4, auf das nächste Feld dann 8 usw. Auf das letzte Feld kommen dann so viele Reiskörner, wie in dieser Welt innerhalb eines Jahres nicht geerntet werden. Auch hier spielt die Verdopplung eine Rolle, denn von Feld zu Feld wird jeweils die Anzahl Reiskörner verdoppelt.

In diesem Bild spielt aber die Zeit keine Rolle. Also führe ich jetzt die Zeit der Verdopplung ein: Von Feld zu Feld soll immer ein Tag vergehen. D.h. am ersten Tag wird ein Reiskorn auf ein Feld des Schachbrettes gelegt, am zweiten Tag zwei Reiskörner auf das nächste Feld, am dritten Tag dann 4 Reiskörner auf das folgende Feld usw. Das Auffüllen des kompletten Schachbrettes mit Reiskörnern würde in diesem Fall 64 Tage benötigen, wir habe in diesem Fall eine Verdopplungszeit von einem Tag.

Was ändert sich, wenn ich die Verdopplungszeit auf eine Woche verlängere? Nun, am Anfang wird ein Reiskorn auf ein Feld des Schachbrettes gelegt und danach wartet man eine Woche ab. Danach werden 2 Reiskörner auf das nächste Feld gelegt und wieder eine Woche gewartet. Im Ergebnis dauert der Vorgang nicht mehr 64 Tage (bei Verdopplungszeit von einem Tag) sondern jetzt 64 Wochen, also mehr als 1 Jahr. Ansonsten ändert sich nichts es wird die gleiche Menge an Reiskörnern benötigt.

Die Verdopplungszeit alleine sagt also noch nichts aus, auch wenn die Verlängerung der Verdopplungszeit in der Corona-Pandemie eine gute Sache ist, wie ich gleich darstellen möchte. Überträgt man das Beispiel mit dem Schachbrett auf die aktuelle Pandemie, dann werden immer noch praktisch alle Menschen erkranken, nur wird dies halt länger dauern.


Umstellung der Zahlen

Meine bisherigen Darstellungen bezogen sich auf die Gesamtzahl der Fälle. Darin enthalten sind dann auch Personen, die vielleicht Ende Februar positiv auf dieses Virus getestet wurde, aber mittlerweile (glücklicherweise) genesen oder (leider) verstorben sind. Für die aktuelle Betrachtung als auch für die Zukunft spielen diese Personen keine Rolle mehr, deshalb möchte ich sie aus meiner Betrachtung herausnehmen. Ich stelle somit die Betrachtung um auf die Zahl der neu hinzugekommen Fälle pro Tag:


Wer infiziert ist und bei dem die Krankheit ausbricht, der benötigt möglicherweise ein Bett im Krankenhaus und vielleicht sogar einen Platz auf der Intensivstation, im Extremfall mit maschineller Beatmung (ich habe mir sagen lassen, daß dies nicht sehr angenehm ist). Um die Zahl der benötigten Plätze im Krankenhaus bzw. auf einer Intensivstation abzuschätzen möchte ich auf dieses Bild von der Seite hessenschau.de verweisen:


Die Aufstellung stammt vom 9.4.2020 und errechnet sich aus den Daten, die bis zum 6.4.2020 vorlagen. Nach diesen Daten, die sich nur auf Hessen beziehen, waren etwa 80% aller Krankheitsverläufe relativ harmlos, denn die Patienten blieben zu Hause. In den übrigen 20% der Fälle wurden die Erkrankten in ein Krankenhaus eingeliefert. Etwa 5% dieser Patienten benötigten eine maschinelle Beatmung auf einer Intensivstation. Lassen Sie mich mit diesen Zahlen weiter rechnen.

Nun haben wir die Zahlen der neu infizierten Personen, aber diese Zahl ist für die nächste Berechnung leider (noch) nicht verwendbar. Eine Person, deren Infektion festgestellt wurde und die ins Krankenhaus eingeliefert werden muß, belegt dort ein Bett für mehrere Tage. Leider kann ich Ihnen keinen Beleg für eine entsprechende Zahl bringen, aber irgendwo fand ich die Zahl von 10 Tagen für die Dauer eines Krankenhausaufenthalts bei dieser Erkrankung. Somit müsste man die Zahl der neu Infizierten für einen Zeitraum von jeweils 10 Tagen aufaddieren, und das sieht dann so aus:


Zu Beginn der Pandemie in Deutschland gab es über 6.000 Neuinfektionen pro Tag. Bei einer Steigerung dieser Zahl, wie es sich aus obigen Prognosen ergab, stösst jedes Krankenhaussystem irgendwann an eine Grenze. Die Zahl der Plätze ist endlich, genauso wie die Zahl der in einem Jahr geernteten Reiskörner endlich ist, weshalb das Schachbrett nicht mehr mit Reiskörnern gefüllt werden kann. Somit würden bei einer Steigerung der Fallzahlen irgendwann die Betten in unseren Krankenhäusern nicht mehr ausreichen.


Bewertung

Die Zahl der täglich Neuinfizierten nimmt ab. Dies ist eine gute Entwicklung, denn so bekommen wir die Entwicklung unter Kontrolle. Zwar haben wir keine Medikamente für den Kampf gegen die vom Coronavirus ausgelösten Krankheiten, und insbesondere haben wir keinen Impfstoff, um Nichtinfizierte gegen Coronavirus zu immunisieren, aber bis zu einer gewissen Anzahl an Neuinfektionen haben wir Plätze in unseren Krankenhäusern und insbesondere auf den Intensivstationen. Steigt die Zahl der Neuinfektionen darüber, dann bekommen wir grosse Probleme.

Inwieweit die Kontaktsperre die Zahl der Neuinfektionen verringert vermag ich nicht zu beurteilen. Es scheint aber schon so zu sein.


Reproduktionszahl

Ein neuer Begriff taucht in der öffentlichen Diskussion auf: Reproduktionszahl. Liegt diese Zahl oberhalb von 1, dann verbreitet sich das Virus, liegt sie unterhalb von 1, dann "stirbt" das Virus allmählich aus.

Ein Mensch infiziert sich mit diesem Virus, woher auch immer. Nach einer gewissen Zeit bricht bei dieser Person die Krankheit soweit aus, daß diese Person das Virus auf andere Menschen übertragen kann. Auf wieviele Menschen kann er das Virus nun übertragen? Davon hängt die weitere Entwicklung ab.

Diese Entwicklung lässt sich schlecht an einer Person verdeutlichen, weshalb ich zur Verdeutlichung auf eine Gruppe von 100 Personen wechseln möchte. Stecken diese 100 Personen 105 weitere Personen an, so haben wir eine Reproduktionszahl grösser 1 und und die Zahl der im Krankenhaus benötigten Betten wächst. Steckt diese Gruppe aber 90 bisher Nichtinfizierte an, dann schrumpft die Zahl der Erkrankten und die Belastung für unser Gesundheitssystem nimmt zukünftig ab.

Auch bei einer Reproduktionszahl kleiner 1 wird die Zahl der Infizierten nicht abnehmen, denn diese Zahl beschreibt die Gesamtheit aller bis zum heutigen Tag infizierten Menschen. Aus dieser Zahl wird kein Fall entfernt, deshalb kann diese Zahl nicht sinken.

Bisher wurde mit der Verdopplungszeit argumentiert. Diese Zahl lag zu Beginn bei 3 Tagen, weshalb ich bei meiner ersten Berechnung mit einem Wert von 1,3 gerechnet habe. Bei der jetzigen Berechnung setze ich einen Wert von 1,03 an. Unabhängig vom Wert dieser Zahl bedeutet es aber immer eine Verdopplung. Nehmen wir eine Verdopplungszeit von einem Monat an und gehen von einem Stand von 150.000 Infizierten aus. Nach einem Monat wären dies dann 300.000 Infizierte, d.h. es wären 150.000 Personen neu hinzugekommen. Nach einem weiteren Monat wären dies dann bereits 600.000 Infizierte, d.h. im entsprechenden Monat wären 300.000 Personen neu hinzugekommen. Geht man von einer Verdopplungszeit von 3 Tagen aus, dann kollabiert unser Gesundheitssystem in wenigen Wochen. Streckt man diese Zahl auf 2 Monate, dann tritt der gleiche Effekt auf, nur sehr viel später. Daraus erkennen Sie, daß diese Zahl immer weiter gestreckt werden muß. Die Zahl der Neuinfizierten muß sinken, damit unser Gesundheitssystem nicht kollabiert. Und diesen Vorgang beschreibt die Reproduktionszahl.


Bundeskanzlerin Angela Merkel

Vor wenigen Tagen hat Frau Merkel versucht, diesen Vorgang zu erläutern:


Ich finde die Darstellung von Frau Merkel in der Sache richtig, in der Übermittlung aber reichlich verwirrend.

Freitag, 10. April 2020

Es lebe das FAX-Gerät


Johns Hopkins Universität. Überall liest man diesen Namen, sei es in Zeitschriften, Zeitungen oder Internet, oder man hört den Namen in den Nachrichten im Fernsehen. Auch hier im Blog verwende ich die Zahlen dieser US-amerikanischen Universität. Warum werden nicht die Zahlen des Robert Koch Instituts verwendet, das ja eine Einrichtung unserer Bundesregierung ist? Warum stützen wir uns auf eine US-amerikanische Einrichtung?

Ich möchte einen beliebigen Stichtag herausgreifen und Ihnen 3 Zahlen präsentieren. Zum 24.3.2020 habe ich die Zahl der in Deutschland mit dem Coronavirus infizierten Menschen von diesen Einrichtungen geholt und möchte sie zum Vergleich hier angeben:

  • Robert Koch Institut: 27.436
  • Johns Hopkins University: 29.056
  • Risklayer: 32.024

Aus den Zahlen ergibt sich eine Abweichung von ca. 4.500 Personen. Aber der 24.3. liegt schon einige Tage zurück, also sollte man einen neuen Vergleich durchführen (Stichtag 7.4.2020):

  • Robert Koch Institut: 99.225
  • Johns Hopkins University: 103.374
  • Risklayer: 103.493

Auch hier sehen Sie einen Unterschied in den Zahlen, diesmal von ca. 4.200 Personen. Welche Zahlen sind denn nun korrekt? Auf welche Zahlen kann man sich verlassen?

Risklayer ist ein Unternehmen, das aktiv mit Unterstützung etlicher Privatpersonen diese Daten sammelt und sie hier veröffentlicht: Risklayer auf Twitter. Diese Daten scheinen verlässlich zu sein.

Ich möchte Ihnen ein Bild präsentieren:


Sie finden diese Information her: Robert Koch-Institut: COVID-19-Dashboard.

An diesem Bild beachten Sie bitte die Einträge, die ich mit einem Pfeil markiert habe. Es handelt sich hierbei um die gemeldeten Zahlen für den 8., 15., 22. und 29. März sowie den 5. April. Dies waren Sonntage und an diesen Tagen verbreitet sich das Virus, aber natürlich arbeiten nicht alle staatlichen Stellen in diesem Land, wo kämen wir denn da hin. Somit sind die Daten an diesen Tagen nicht korrekt.

Dazu gibt das Robert Koch Institut folgendes an:

Wichtige Information

Für die Gesamtzahl pro Bundesland/Landkreis werden die den Gesundheitsämtern nach Infektionsschutzgesetz gemeldeten Fälle verwendet, die dem RKI bis zum jeweiligen Tag um 0 Uhr übermittelt wurden.

Für die Darstellung der neuübermittelten Fälle pro Tag wird das Meldedatum verwendet – das Datum, an dem das lokale Gesundheitsamt Kenntnis über den Fall erlangt und ihn elektronisch erfasst hat.

Zwischen der Meldung durch die Ärzte und Labore an das Gesundheitsamt und der Übermittlung der Fälle an die zuständigen Landesbehörden und das RKI können einige Tage vergehen (Melde- und Übermittlungsverzug). Jeden Tag werden dem RKI neue Fälle übermittelt, die am gleichen Tag oder bereits an früheren Tagen an das Gesundheitsamt gemeldet worden sind. Diese Fälle werden in der Grafik Neue COVID-19-Fälle/Tag dann bei dem jeweiligen Datum ergänzt.

Der genaue Infektionszeitpunkt der gemeldeten Fälle kann in aller Regel nicht ermittelt werden. Das Meldedatum an das Gesundheitsamt spiegelt daher am besten den Zeitpunkt der Feststellung der Infektion (Diagnosedatum) und damit das aktuelle Infektionsgeschehen wider. Durch den Meldeverzug sind die Daten die letzten Tage in der Grafik noch unvollständig und füllen sich mit den in den kommenden Tagen nachfolgend übermittelten Daten auf. Aus dem Verlauf der übermittelten Daten allein lässt sich daher kein Trend zu den aktuell erfolgten Neuinfektionen ablesen.

Für eine detailliertere Analyse der der COVID-19-Fälle verweisen wir auf den täglichen Lagebericht des RKI.

Quelle: Robert Koch-Institut: COVID-19-Dashboard.


Übermittlungsverzug

Wie sieht das allgemein aus mit der Übermittlung der Testergebnisse? Hierzu eine Darstellung aus der Schweiz:

Schweizer Ärzte müssen laut Medienberichten in ein Formular, das sie aus dem Internet heruntergeladen und ausgedruckt haben, von Hand Werte von einem Computerbildschirm abschreiben und per Fax nach Bern melden, wo jemand die Daten dann wieder ab Papier in den Computer eintippt.

Quelle: Wie das Internet in der Corona-Krise neu erfunden wird

Und in Deutschland sieht das nicht anders aus:

Ein Arzt stellt eine Corona-Infektion über eindeutige Krankheitssymptome fest oder ermittelt die Wahrscheinlichkeit epidemiologisch - also zum Beispiel, weil ein naher Familienangehöriger positiv getestet wurde. Ein Labor identifiziert das Virus in der Probe. Ob Arzt oder Labor, beide machen für jeden festgestellten Infektionspatienten eine Meldung ans Gesundheitsamt. Diese Meldung erfolgt telefonisch oder mit einem Papierformular. Große Labore erstellen die Meldung automatisch, schicken sie aber in der Regel per Fax.

Quelle: Wie verläuft die Meldekette ganz konkret?

Nein, ich bringe jetzt nicht erneut den Spruch von Frau Merkel, daß das Internet für uns alle Neuland sei. Das entsprechende Video hat sich ausgenudelt, das kann ich nicht mehr sehen. Was ich aber feststellen muß ist: Ohne FAX-Geräte geht keine Politik.

An zwei Beispielen möchte ich dies verdeutlichen.

Online-Banking

Sie greifen über Ihren PC auf Ihr Bankkonto zu, prüfen den Kontostand und weisen die Bank an, einen Geldbetrag auf das Konto einer bestimmten Person zu transferieren (= eine Überweisung). Dazu bietet Ihnen die Bank einen Vordruck an, glücklicherweise dann doch schon im PDF-Format. Dieses Formular holen Sie sich, drucken es aus, füllen es aus, unterschreiben es und senden es dann per FAX an die Bank.

Arbeiten Sie so? Nein, natürlich nicht, sie gehen mit Ihrem PC auf die entsprechende Seite Ihrer Bank und füllen dort das Formular aus. Auf dem hier beschriebenen Weg arbeiten aber Teile unserer Verwaltung, weil die Politik das Thema Digitalisierung ... (ich schreibe jetzt nicht weiter, meine Erziehung hindert mich daran).

Ein Gegenbeispiel.

Bestellung in China

Vor langer Zeit habe ich ein Computer-Bauteil in China bestellt. Dazu habe ich auf der entsprechenden Internetseite das Produkt ausgewählt und in einen Warenkorb getan. Im Rahmen des Abschlusses meiner Bestellung wurde ich auf die Seite von PayPal geleitet, habe dort den Betrag bestätigt (übernommen aus meiner Bestellung) und die Bestellung war abgeschlossen. Wenig später fand ich in meinen Mailbox diese Mails:

  • Shop: Vielen Dank für Ihre Bestellung.
  • Lieferant: Wir haben Ihren Auftrag erhalten
  • PayPal: Wir haben folgenden Betrag an Lieferant überwiesen
  • Lieferant: Wir haben Ihre Zahlung erhalten
  • Shop: Bestellvorgang abgeschlossen

Diese 5 Mails erreichten meine Mailbox innerhalb von 2 Minuten. Kein FAX-Gerät wurde im Rahmen dieser Transaktion benötigt.

Deutschland ist zweite Welt.


Internet

Gerade jetzt in der Zeiten des Social Distancing wird das Internet zur Basis vieler Aktivitäten und ist unverzichtbar:

Wir können uns die neuesten Nachrichten besorgen, wir können einkaufen, Rechnungen bezahlen, Blumen verschicken. Wir können an Besprechungen und Konferenzen teilnehmen, Vorlesungen und Seminare besuchen. Wir sind mit Lichtwellenleitern und mehradrigen Kupfersträngen miteinander verbunden. Wie ginge es uns jetzt, wenn es das Internet nicht gäbe? Man wagt es nicht, sich das auszudenken.

Quelle: Wie das Internet in der Corona-Krise neu erfunden wird

Heute erkennt man, was wir am Internet haben. Und ich will Ihnen jetzt nicht beschreiben, was wir mit dem Internet hätten alles machen können, wenn .....

Aber zum Glück kennt unserer Politik ja wenigstens ein FAX-Gerät. Wussten Sie, daß heutige FAX-Geräte unter Digitalisierung fallen?

Sonntag, 5. April 2020

Berechnungen (revisited)


"Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit", so sagte es vor langer Zeit einmal ein deutscher Politiker.

In meinem letzten Text hatte ich versucht, einige Berechnungen zur aktuellen Pandemie durchzuführen und dabei auch eine Hochrechnung versucht1). Nach etwa einer Woche ist es an der Zeit, diese Zahlen zu aktualisieren und die Vorhersagen mit der Wirklichkeit abzugleichen.


Vorbemerkung

Ich will mit dieser Darstellung keine Panik erzeugen, einfach nur auf der Basis der verfügbaren Zahlen eine Berechnung wagen.

Wie bereits mehrfach im Blog erwähnt bin ich offen für Hinweise auf Fehler.


Aktualisierung

Hier finden Sie die (alte) Kurve der erkrankten Personen aus meinem vorigen Text, fortgeschrieben bis zum 4.04.2020:


In rot sehen Sie die theoretische Zahl der Erkrankten, errechnet aus der offiziellen Zahl der Erkrankten vom Vortag und gerechnet nach der Formel, die ich in meinem letzten Text1) dargestellt hatte. In blau sehen Sie die offizielle Zahl der Erkrankungen, basierend auf den Zahlen der Johns Hopkins Universität.

In der Grafik sehen Sie, wie sich die blaue und die rote Kurve am Ende voneinander entfernen. Um einmal Schulstoff aufzufrischen: In der blauen Kurve ist die zweite Ableitung jetzt negativ. Dies ist eine gute Nachricht, auch wenn die Zahlen immer noch steigen.

Es ist somit an der Zeit, die Berechnung zu aktualisieren.


Kontaktverbot

Mit dem 22.3.2020 gibt es in Deutschland ein Kontaktverbot. Nach den bisher vorliegenden Informationen dauert es ca. 8-10 Tage, bis nach einer Infektion die Krankheit ausbricht, so daß man jetzt allmählich erkennen sollte, ob das Kontaktverbot greift, d.h. ob die Zahl der Ansteckungen/Erkrankungen zurück geht.

Dieses Kontaktverbot könnte den Abstand zwischen roter und blauer Kurve erklären. Möglich sind aber auch andere Ursachen wie ausgeschöpfte Testkapazitäten oder sonstige Fehler.


Anpassung der Berechnung

Aus den Zahlen der Johns Hopkins Universität ergibt sich eine Verdopplung der Fallzahlen innerhalb von 8 Tagen. Dies ist eine schlechte Nachricht, denn es bedeutet ca. 180.000 Erkrankte in einer Woche. Es ist aber auch eine gute Zahl, denn vor wenigen Tagen hatten wir noch eine Steigerungsrate von +30%, dies entspricht einer Verdopplung innerhalb von 3 Tagen (und somit eine Vervierfachung innerhalb einer Woche, das wären dann ca. 350.000 Erkrankungen).

Also passe ich meine Berechnung an. Bisher habe ich mit einen Wert 1,3 für den Faktor C in der Formel gerechnet, aber ab dem 23.3.2020 (=ab diesem Tag gilt das Kontaktverbot) rechne ich mit der gleichen Formel, aber einem Wert von 1,1 für die Größe C weiter. Und so sieht das dann aus:


Sie erkennen den Unterschied zwischen einem Faktor 1,3 und 1,1.

In rot sehen Sie die Entwicklung mit dem Wert 1,3 (=Stand der Entwicklung der Zahlen vor dem 22.3.2020), in gelb sehen Sie die Entwicklung mit dem Wert 1,1 und in blau die jeweils gemeldeten Zahlen. Den Unterschied sehen Sie deutlich, die gelbe Kurve passt wesentlich besser zur Entwicklung.


Neue Vorhersage

Ab dem 22.3.2020 möchte ich die offiziellen Zahlen und die sich daraus nach meinem Modell ergebenden errechneten Zahlen gegenüberstellen:


Die offiziellen Zahlen enden mit dem 4.04.2020, die theoretischen Berechnungen habe ich weitergeführt über etwa eine Woche in die Zukunft.

Wichtig für die Beurteilung der Entwicklung ist die Zahl der neu hinzukommenden Fälle. Aus diesen bestimmt sich dann die vermutete Anzahl an Patienten in den Krankenhäusern und im Extrem die Zahl der Patienten, die eine Behandlung auf der Intensivstation benötigen. Sofern die Kurve mit dieser Rate weiterhin ansteigt, kommen große Probleme auf unser Gesundheitssystem zu. Dies gilt auch für die neue Rechnung.


Bewertung

Das sieht weiterhin nicht gut aus, auch wenn es etwas Hoffnung zu geben scheint.


Stochastischer Prozess

Das mathematische Modell zur Berechnung einer solchen Pandemie nennt sich Stochastischer Prozess, wobei die Methoden dieses Gebiets nicht auf Pandemie-Berechnungen beschränkt sind. Ich möchte jetzt aber keine langen Ausführungen zu diesem Begriff machen, sondern an einem kleinen praktischen Beispiel einen solchen Prozess vorstellen. In der Washington Post erschien vor einigen Tagen ein Text, der die Entwicklung einer Pandemie anschaulich darstellt. An einem fiktiven Ort mit 200 Einwohnern wurde gezeigt, wie sich eine solche Krankheit ausbreitet. Als Krankheit hat man sich eine Krankheit ausgedacht und dieser den Namen Simulitis gegeben, da sie für eine Simulation verwendet wird. Eine Person in diesem Ort wird zufällig ausgewählt, für krank erklärt und bewegt sich innerhalb des Ortes frei. Bei einem Zusammenstoss mit einer anderen Person wird die Krankheit übertragen.

Hier finden Sie diesen Artikel, der in mehreren Sprachen verfügbar ist: Warum Ausbrüche wie das Coronavirus sich exponentiell ausbreiten, und wie man „die Kurvenlinie glätten“ kann.

In der Simulation dargestellt werden 4 Alternativen:
  • nichts tun
  • Abriegelung eines Teils
  • soziale Distanz: mäßig
  • soziale Distanz: rigide

Diesen Text möchte ich Ihnen empfehlen, die Probleme in dieser Pandemie werden sehr deutlich beschrieben.


Alternative

Welche Alternativen zu unserem jetzigen Verhalten in dieser Pandemie gibt es? Viele Menschen kommen mit Vorschlägen, teils absurd, teils verrückt, manche überdenkenswert. Bemerkenswert fand ich diesen Vorschlag2):


Wir haben jetzt Anfang April. Welche alternative und zielgenauere Strategie schlagen sie vor, Herr Habeck? Oh, ich sehe, diese Strategie soll erst noch entwickelt werden. Bis wann liegt diese Strategie vor? Und was macht das Virus in der Zwischenzeit?

Geschwätz.


Harald Lesch

In einer Sendung aus der Reihe Terra X befasste sich Harald Lesch mit dem Thema Corona. Daraus möchte ich folgende Aussagen zitieren:

Jetzt zeigt sich die große Bedeutung von Grundlagenforschung. Die immerwährenden Kritiker an diesem absolut notwendigen Mechanismus der Durchdringung der Fundamente des Bildes von der Materie und ihrer Verwandlungsfähigkeit werden jetzt eines besseren belehrt. Wir stehen doch alle vor den Toren der Laboratorien und warten darauf, daß der Ruf erklingt "Heureka, wir haben es" . Und mit einer unabhängigen Wissenschaft, die nicht auf den unmittelbaren Erfolg ausschaut sondern mit Geduld, Sorgfalt und Hartnäckigkeit bei der Suche bleibt, werden wir dieses Mittel auch finden.

Nach Jahren des Mißtrauens, ja der offenen Verachtung von wissenschaftlichen Methoden und Institutionen spüren wir jetzt, was für einen grandiosen Schatz wir an der Art und Weise haben, wie Forschung und Wissenschaft die Natur durchdringen und die Abläufe und Prozesse dort verstehen. Wissenschaft und Forschung waren uns noch nie so nah. Ich bin so froh, daß wir den Quacksalbern, Maulhelden und anderen Wissenschaftsverächtern jetzt die kalte Schulter zeigen, sie ignorieren. Wir spüren, daß wir in dieser Krise, die ohne Vergleich ist, denen vertrauen können, die Ahnung haben, die wissen, wovon sie reden. Wir spüren, daß diese Personen systemrelevant sind, Wissenschaft und Forschung sind systemrelevant. Von nun an muß die Wissenschaft zur Daseinsvorsorge gehören. Im Ernstfall zählt nicht der unmittelbare Erfolg. Da zählen Geduld, Sorgfalt und Qualität. Und Respekt vor einer Natur, die viel älter ist als wir, ohne die wir aber nicht leben können. Das sollten wir nie wieder vergessen.

Quelle: Corona - was weiß die Wissenschaft (sinngemäß zitiert)



Anmerkungen: