Freitag, 3. Juni 2022

Open Source in der Stadtpolitik


Das Thema quelloffene Software, also Open Source Software, ist in der Stadtpolitik hier in Wiesbaden angekommen. Bei der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Beschäftig., Digitalis., Gesundheit am 17. Mai 2022 fanden sich 2 Anträge zu diesem Thema auf der Tagesordnung.

Die Fraktion, gebildet aus BLW, ULW und BIG hatten am 2.5. einen Antrag zu diesem Punkt eingereicht. Dies war der Text des Antrags:


Im Punkt 9 der Tagesordnung fand sich ein Antrag von Grüne, SPD, Linke und Volt, eingereicht am 11.5. Dies war der Text dieses Antrags:


Im Laufe der Diskussion wurde bekannt gegeben, daß der Magistrat am Tag dieser Sitzung einen Vertrag mit Microsoft zur Nutzung der Microsoft-Software verlängert hat, und der Ausschuss kommentierte dies nicht. Sie können also beruhigt sein, die Stadt Wiesbaden wird nicht von Microsoft Windows zu irgendetwas anderem wechseln, dafür fehlt der Stadtpolitik der Mut (obwohl dies im Sinne dieses Blogs wäre). Auch weitere Software wie Microsoft Office wird nicht ersetzt durch LibreOffice oder ein ähnliches Produkt. Usw.

Worum ging es in der Diskussion, in welche Richtung zielen die Anträge? Dazu etwas später mehr, ich möchte vorher noch auf einige der in den Anträgen genannten Argumente eingehen.


Monopol

Monopole sind schlecht. Im Wirtschaftsleben führt ein Monopol zu Abhängigkeiten, hohen Preisen und verringerter Auswahl, in der Landwirtschaft kennen wir es als eintönige Felder mit der immer gleichen Pflanze, in anderen Bereichen gibt es ähnliche Beispiele. Aus diesem Grunde sollen die Angebote aus dem Bereich Open Source stärker berücksichtigt werden, denn dadurch würde die Vielfalt erhöht.

Ich lehne keine Software aus dem Bereich Open Source ab, sonst hätte dieser Blog nicht diesen Titel. Das im Bereich der Software gemeinte Monopol heißt Microsoft, und der Titel des Blogs besagt, daß man die Software der Fa. Microsoft ersetzen soll durch Software aus dem Umfeld Linux. Wie könnte ich diesem Argument widersprechen.

Nun kennen wir häufig doppelte Begriffe für einen Sachverhalt. Will man diesen Sachverhalt positiv darstellen verwendet man den einen Begriff, will man den gleichen Sachverhalt negativ darstellen verwendet man einen anderen Begriff. Beide Begriffe beschreiben aber den gleichen Sachverhalt. So ist es auch in diesem Fall, und die Begriffe heißen Monopol und Einheitlichkeit.

Software verursacht Kosten. Ein gerne unterschätzter Teil der Kosten macht der Support aus, denn sie kennen sicherlich das Problem, daß ein Text nicht auf dem Drucker erscheint. Aber das ist nur ein bekanntes Problem, andere heißen Datenaustausch, Einstellungen, Aufruf einer Funktion, .....

Für jedes eingesetzte Produkt müssen Sie Mitarbeiter haben, die solche Fragen zu einem Produkt beantworten können, denn Sie bzw. Ihre Mitarbeiter sollen ja arbeiten können. Und jedes Produkt verhält sich bei gleicher Aufgabe etwas anders, was ein entsprechendes Wissen des Support-Mitarbeiters erfordert. Und dieses Wissen muß man sich erarbeiten, das kostet Zeit. Setzen Sie 2 Programme für eine Aufgabe ein, haben Sie zwar keine Monokultur, aber dafür den doppelten Aufwand bei der Unterstützung Ihrer Anwender. Ihre Kosten erhöhen sich.

Aus diesem Grund treibt man in der IT-Branche die Vereinheitlichung voran. Alle Mitarbeiter haben die gleiche Software, somit haben wir eine Monokultur.


Angriffe

Angriffe auf Computersysteme mit dem Ziel, diese zu beherrschen und danach Lösegeld zu verlangen, sind an der Tagesordnung. Eine Monokultur begünstigt solche Angriffe, eine Vielfalt der Systeme verhindert solche Angriffe. So steht es in der Begründung eines Antrags.

Diese Gefahr ist real. Einige Texte und Beispiele aus den vergangenen Monaten sollen dies belegen:

Die Aussage, daß eine Monokultur ein Computersystem unsicher macht, ist allerdings falsch. Stellen Sie sich ein Haus vor, das zwei Eingangstüren hat. Allerdings unterscheiden sich diese in ihren Sicherheitstechniken. Nun lassen Sie mich einmal die Rolle des bösen Hackers spielen, der in dieses Haus einbrechen will. Scheitere ich an der ersten Tür, dann gehe ich zur zweiten Tür und versuche es dort. Diese Tür stammt von einem anderen Hersteller, bietet also andere Vor- und Nachteile, also erhalte ich eine zweite Chance. Wäre dies die gleiche Tür, so würden meine Versuche an dieser Tür genau so scheitern wie an der ersten Tür.

Unterschiedliche Systeme (z.B. bei Betriebssystemen) bieten keine höhere Sicherheit. Sie erhöhen die Angriffsoberfläche, bieten also zusätzliche Möglichkeiten, in den Computer einzudringen und diesen zu übernehmen. Und wenn ein Hacker erst mal drin ist im System und dort die Rechte eines Administrators hat, dann beginnt er sein Werk. Da interessiert es ihn auch nicht, daß es andere Türen gibt, die er nicht ausprobiert hat.


OZG

Immer mehr Verwaltungsarbeiten werden über Computer abgewickelt, immer mehr Geräte werden über Computer gesteuert. Der Bundestag hat ein Gesetz beschlossen, das die öffentliche Verwaltung verpflichtet, Daten öffentlich zugänglich zu machen:

Das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz – OZG) verpflichtet daher Bund, Länder und Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten.

Quelle: Bundesministerium des Inneren und für Heimat, Artikel Moderne Verwaltung

Deshalb werden weitere Daten zur Verfügung gestellt, d.h. sie können per Computer abgefragt werden. Das Thema Schutz der Daten spielt somit eine immer grössere Rolle, denn es sind Ihre (und meine) Daten.

Welche Software verarbeitet unsere Daten? Wer stellt sicher, daß diese Daten nicht abgegriffen werden? Wer prüft, ob die Software Hintertüren hat?


Cloud

Heutzutage werden Daten nicht auf einem Computer an einem Arbeitsplatz gespeichert, sondern auf einem Computer irgendwo. Das nennt sich Cloud-Computing, "das macht man heute so" lautet das Motto. Und wenn Sie Daten aus der Hand geben, dann haben sie keine Kontrolle mehr darüber, was mit diesen Daten geschieht. Und heute liegen diese Daten häufig in den USA, bei welcher Firma auch immer (das könnte auch Microsoft sein). Da haben Sie keine Kontrolle darüber, ob ein böser Hacker oder ein freundlicher Geheimdienst auf diese Daten zugreift.


Digitale Souveränität

Wir brauchen die Kontrolle über unsere Daten. Wir müssen wissen, was die Programme mit den Daten machen. Das alles können wir nur erreichen, wenn wir offene Software einsetzen, denn nur dort kann man einsehen, was die Software macht. Und deshalb brauchen wir Open Source Software.

Sie können das nicht, sie verstehen nichts von Software? Keine Angst, es gibt in Deutschland genügend ausgebildete Personen, die so etwas können und auch machen. Bisher vertrauen Sie auf die Aussagen der Hersteller, also Microsoft, Apple, Oracle, ..... , daß die Produkte sicher sind und man keinen Unfug mit den Daten treibt.

Leider gab es bisher genügend Beispiele, die diese Aussage widerlegten. Ein Stichwort soll hier genügen: Edward Snowden hat solche Aktivitäten aufgedeckt. Hier nur ein Beispiel für solchen Mißbrauch: Von Snowden enthülltes Überwachungsprogramm war illegal.

Wir brauchen die Kontrolle über die Computer, die Software und unsere Daten.

Fazit

Beide Anträge wurden einstimmig angenommen. Bricht jetzt in Wiesbaden das Open Source-Paradies aus? Wechselt Wiesbaden auf Open Source?

Man wird ja noch mal träumen dürfen, aber, keine Angst, dies wird nicht passieren.

Dies ist erst einmal ein Antrag an den Magistrat zu berichten. Und der Magistrat wird berichten, welche Software aus dem Umfeld Open Source in Wiesbaden in 2022 eingesetzt wird. Vielleicht wird es danach einen Beschluss des Ausschusses geben, diesen Anteil zu erhöhen. Und somit wird bei jeder Anschaffung zukünftig eine Begründung erfolgen, warum man sich für eine bestimmte Software entschieden hat. Zusätzlich wird man jetzt angeben, welche Alternativen man untersucht hat, denn die Anträge zielen ja in die Richtung, auch Angebote aus dem Bereich Open Source zu eruieren. Und dabei wird herauskommen, daß die Angebote aus dem Bereich Open Source nicht genommen werden konnten, weil .... (bitte setzen Sie Ihre Argumente hier ein).

Ändern wird sich somit nichts, nur die Begründung für ein spezielles Produkt wird um einen Abschnitt länger.

Das wirtschaftliche Monopol (sprich: die Abhängigkeit von Microsoft) werden wir nicht aufbrechen können. Microsoft wird es nicht erlauben, daß Windows von einem anderen Unternehmen entwickelt wird. Und die Alternative zu Windows wäre Linux, aber da hat die Stadtpolitik Berührungsängste. Und für andere Software wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Mail, ... gilt dies ähnlich.

Das Problem ist nicht das Monopol, das Problem ist die Qualität der Software dieses Monopolisten.