Mittwoch, 5. Dezember 2018

W W W


Es scheint doch etwas Bewegung zu geben in Sachen WLAN in dieser Stadt Wiesbaden, denn vor etlichen Tagen gab es folgende Presseerklärung aus dem Rathaus:

„Jetzt geht es mit dem freien WLAN in Wiesbaden voran“, freut sich Andreas Kowol, Dezernent für Umwelt, Grünflächen und Verkehr. Am Mittwoch, 24. Oktober, ist am Kranzplatz der erste Standort in Betrieb genommen worden. Die Wall GmbH wird noch dieses Jahr im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen an insgesamt 15 Standorten in Wiesbaden kostenfreies und zeitlich unbegrenztes WLAN installieren, darunter am Platz der deutschen Einheit, am Mauritiusplatz und am Wiesbadener Hauptbahnhof.

Quelle: Kostenfreies und zeitlich unbegrenztes WLAN: Kranzplatz erster Standort - Pressemitteilung vom 24.10.2018

Auch der Wiesbadener Kurier berichtete darüber:

WIESBADEN - Noch ein paar Wochen, dann gehört ein viel und oft beklagtes Defizit der Wiesbadener Innenstadt der Vergangenheit an. An insgesamt 15 Stellen in der City werden in nächster Zeit öffentliche WLAN-Hotspots eingerichtet und sukzessive freigeschaltet. Verantwortlich für das Angebot sind die Stadt Wiesbaden, die Eswe Versorgung über die Tochter Witcom und die Wall GmbH ....

Quelle: Freies WLAN für Wiesbaden: Kranzplatz erster Standort


Orte

Und hier finden Sie die Plätze, auf denen WLAN-Hotspots eingerichtet werden sollen: Inbetriebnahme WLAN Standorte.

So erkennen Sie einen solchen Hotspot:

Bushaltestelle am Kranzplatz gegenüber der Staatskanzlei

Auf der Suche nach den Hotspots

Einen Hotspot habe ich bereits gefunden, also habe ich mich auf die Suche nach weiteren Hotspots gemacht. Durchgeführt habe ich meine Suche am 27.11.2018, also 4 Wochen nach der Presseerklärung. Denn immerhin gilt ja folgende Aussage (Hervorhebung von mir):

Die Wall GmbH wird noch dieses Jahr im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen an insgesamt 15 Standorten in Wiesbaden kostenfreies und zeitlich unbegrenztes WLAN installieren, ...

Quelle: Presseerklärung vom 24.10.2018

Und da vom 27.11.2018 bis zum Jahresende nur noch wenige Wochen sind, sollten ja mittlerweile einige Hotspots installiert sein. Diese habe ich gefunden:

Hotspots
Bushaltestelle Faulbrunnen/Schwalbacherstr.,
Richtung Rheinstrasse
Bahnhofstrasse/Gustav-Stresemann-Ring Salzbachstrasse
zwischen Tankstelle und Bahnhof

Immerhin habe ich 4 Hotspots gefunden, fehlen somit noch 11 Hotspots. Bis zum Jahresende ist ja noch etwas Zeit.


Bedienung

Wie sind diese Hotspots zu bewerten? Hier einige Anmerkungen dazu von mir. Durchgeführt habe ich meinen Test am Hotspot am Kranzplatz.

Anmeldung

In Ihrem Smartphone bzw. Tablet sehen Sie die Liste der am Ort verfügbaren WLANs. Darin finden Sie eine Zeile mit dem Text bluespot, sofern dieser Hotspot existiert. Tippen Sie einfach auf dieses Wort drauf und Ihr Smartphone/Tablet ist mit diesem Hotspot verbunden:


Vertrag abnicken

Halt, ganz verbunden sind Sie noch nicht. Wir sind doch nicht bei Freifunk! Dort wären Sie jetzt "drin", hier müssen Sie erst noch einige Dinge abnicken:


Sehen Sie den Schiebeschalter unten rechts? Einfach draufklicken und damit erklären Sie, daß Sie die Datenschutzerklärung und die AGBs des Anbieters gelesen und diesen zugestimmt haben. Jetzt können Sie loslegen.

Leistung

Natürlich habe ich auch an diesem Hotspot die Geschwindigkeit gemessen, wie in vielen anderen Beiträgen auf diesem Blog auch. Diesen Wert erhielt ich:


Das ist ganz gut, denn ich erhielt an diesem Ort und an diesem Tag sowohl (etwas) schlechtere als auch bessere Werte. Das ist OK.


Bewertung

Nicht schlecht, sage ich mal. Für Wiesbaden ist es auf jeden Fall ein Fortschritt, wenn an manchen Bushaltestellen jetzt auch WLAN zur Verfügung steht. Trotzdem möchte ich einige Punkte der Kritik äussern.

WLAN ist Grün ?

In der Presseerklärung des Rathauses verkündet Herr Stadtrat Kowol diese Neuigkeit. Im Rahmen der Arbeitsverteilung innerhalb des Magistrats ist er zuständig für Umwelt, Grünflächen und Verkehr. Nun ist der Kranzpatz eine Grünfläche, begrenzt von Strassen mit entsprechendem Verkehr, und die Daten werden vom Smartphone zum Router (=Hotspot) und wieder zurück durch die Umwelt transferiert, das passt dann schon in dieses Dezernat. Aber in der Vergangenheit wurde bei Diskussionen über das Thema öffentliches WLAN immer auf das Dezernat III – Dezernat für Finanzen, Schule und Kultur und somit auf den Dezernenten Axel Imholz verwiesen. Dieser sei zuständig für das Thema öffentliches WLAN. Und jetzt doch nicht.

Stadtpolitik

Nach langen Diskussionen hat sich die Stadtpolitik entschieden, für die Jahre 2018 und 2019 Geld für öffentliche WLANs in den Haushalt einzustellen. Dafür wurde ein Betrag von 50.000€ oder 60.000€ pro Jahr bereitgestellt (beide Summen hatte ich gehört). Nun kamen auch Anmeldungen von Ortsbeiräten für öffentliches WLAN, die sich auf 120 Plätze für öffentliche WLANs beliefen, die im Dezernat III (=Axel Imholz) gesammelt wurden.

Jetzt lesen wir in der Presseerklärung von 15 Standorten. Was ist mit den übrigen Plätzen, an denen die Ortsbeiräte Interesse angemeldet haben? Ist die Lösung über die Wall AG jetzt die Antwort zu diesen Anforderungen? Dazu ein Zitat:

Oberbürgermeister Sven Gerich betont: „Der Stadtverordnetenbeschluss für die Einführung eines Bürger-WLANs in der Innenstadt wird damit nun umgesetzt."

Quelle: Pressemitteilung vom 24.10.2018

So, erledigt - so verstehe ich die Aussage des Oberbürgermeisters. Was wohl die Ortsbeiräte dazu sagen?

Ausserdem stellt sich die Frage, was mit dem Geld im Stadthaushalt für öffentliches WLAN geschieht, wenn die Aktion dann von der Wall AG durchgeführt wird.

Tourismus

Wiesbaden will, daß Touristen in diese Stadt kommen. Aber Touristen muß man etwas bieten und dazu zähle ich u.a. WLAN. Vor etwa 3 Jahren hatte ich hier einen Text zum Thema WLANs für Touristen veröffentlicht, in dem ich die Möglichkeiten eines WLANs ansatzweise dargestellt habe. Ist dieses WLAN der Wall AG jetzt das Angebot u.a. für Touristen? Will die Stadt Wiesbaden Touristen an den Kranzplatz locken? Was ist mit einem WLAN-Angebot auf dem Neroberg? Oder an der Nerobergbahn? Oder dem Kurhaus? Oder will die Stadt Wiesbaden an jedem Ort einen Hinweis anbringen, daß man sich am Rathaus mit dem WLAN der Stadt Wiesbaden (Name=wiesbaden), am Kranzplatz mit dem WLAN der Fa. Wall AG (Name=bluespot), am Kurhaus mit dem WLAN der Firma X, am nächsten Platz mit dem WLAN der Firma Y und am übernächsten Ort dann mit einem WLAN der Firma Z verbinden möge? Denken Sie nur einmal an die Fahrt mit der Thermine, die Sehenswürdigkeiten anfährt und die von der Stadt Wiesbaden beworben wird: Thermine Tourbeschreibung.


Zusammenfassung

Schön, daß es dieses Angebot gibt, aber ein richtiges Angebot ist das nicht. WLANs gehören an alle Plätze, an denen sich Menschen treffen und an alle Sehenswürdigkeiten, zu denen Touristen geführt werden. Und da fehlen viele Plätze in dieser Aufstellung.

Immerhin gibt es erste Anzeichen für einen Umdenkprozess (Hervorhebungen von mir):

Oberbürgermeister Sven Gerich betont: ... Freies WLAN ist ein ‚Must-have‘ und ein wichtiger Standortvorteil. Heute hat jeder ein netzfähiges Endgerät in der Tasche. Freies Internet gehört deshalb zur Infrastruktur einer Stadt genau wie Straßen, ÖPNV, Krankenhäuser oder Abfallentsorgung.

Quelle: Pressemitteilung vom 24.10.2018

Immerhin. Wie lange und wie oft haben die Befürworter von öffentlichem WLAN dieses Argument vorgebracht? Und wie oft wurde dieses Argument abgelehnt? Ach, lassen wir das.

Dabei ist das Argument auch schon ein wenig älter (Hervorhebung von mir):

The expense of maintaining good roads and communications is, no doubt, beneficial to the whole society, and may, therefore, without any injustice, be defrayed by the general contributions of the whole society. This expense, however, is most immediately and directly beneficial to those who travel or carry goods from one place to another, and to those who consume such goods.

Quelle: Adam Smith: An Inquiry Into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Buch V, Teil IV

Ich würde Ihnen jetzt gerne einen Link auf dieses Buch angeben, das im Jahre 1776 erstmalig erschienen ist (ich habe das Zitat der Ausgabe von 1852 entnommen). Leider geht das in Deutschland nicht, siehe Fußnote 1).

In Wiesbaden und insbesondere in der Stadtpolitik dauert alles etwas länger. Und wird dann doch nur halbherzig umgesetzt.


Und mit diesen Anmerkungen beende ich meinen Bericht aus der WLAN-Wüste Wiesbaden.


Nachtrag

Ganz so wie oben beschrieben kann ich das nicht stehen lassen. Am 4.12.2018 gab es eine Sitzung des Ausschusses für Bürgerbeteiligung und Netzpolitik. Auf der Tagesordnung standen u.a. zwei Themen: 9. Öffentliches WLAN in Wiesbaden und 4.WLAN im ÖPNV.

Beim Thema öffentliches WLAN in Wiesbaden gab es einen Bericht aus dem zuständigen Dezernat, daß man öffentliche Plätze ausgesucht hätte, die man mit öffentlichem WLAN versorgen wolle. Genannt wurden u.a. Bowling Green, Reisingeranlage, Schlachthof etc. Es scheint sich also doch etwas zu bewegen. Mein Eindruck war, daß die im Haushalt zur Verfügung gestellten Mittel nur für die Planung sind, nicht für die Realisierung, die dann vermutlich noch etwas dauern wird. Und noch eine Anmerkung: Man braucht kein Glasfaser, um einen WLAN-Hotspot zu betreiben. Es wäre schön, wenn es das (immer) gäbe, denn dann bräuchte Freifunk in der Flüchtlingsunterkunft in der Hans-Bredow-Strasse nicht solche Klimmzüge zu betreiben.

Zum zweiten Punkt: WLAN in den ESWE-Bussen. Es wurde gefragt, ob es ein solches Angebot bereits in anderen Städten gäbe. Gerne liefer ich dazu die Antwort: städte mit wlan im öpnv. Es kann doch nicht sein, daß, mit welcher Aktion auch immer, Wiesbaden die erste Stadt mit einer Aktion ist.



Anmerkungen:
1) Bei der Suche nach dem Buch von Adam Smith auf der Seite Free ebooks - Project Gutenberg erhielt ich folgende Fehlermeldung:


Wie Sie sehen, lebe ich in Deutschland. Für uns ist das alles noch Neuland.