Samstag, 29. September 2018

Hans


WLAN kostet Geld. Auch für Ihr privates WLAN bezahlen Sie, auch wenn ein Betrag für die Installation nicht explizit ausgewiesen sondern in den monatlichen Kosten Ihres Internetanschlusses enthalten ist.

Nun war das Thema der Kosten eines WLANs schon öfter ein Thema hier in diesem Blog, denn in der Stadtpolitik kursieren eigentümliche Ansichten dazu. Insbesondere würde sich kaum ein Bürger dieser Stadt einen Internetanschluss leisten, wenn er dafür im Durchschnitt einen Betrag von 15.000€ zu zahlen hätte, denn diese Zahl wird von Vertretern der Stadtpolitik gerne als Kosten einer Installation angeführt.

Wieviel eine Installation kostet hängt von der Örtlichkeit ab, d.h. man hat eine Bandbreite, was die Kosten betrifft. Im Rahmen dieser Bandbreite habe ich schon einmal eine Ecke beschrieben: Für eine Kugel Eis. In diesem Text hatte ich dargestellt, daß man für einen Betrag von 1,37€ bereits ein WLAN aufbauen kann. Und gelegentlich habe ich diese Lösung auch schon vorgeführt, denn dieser Betrag klingt so unwahrscheinlich niedrig, daß nur eine Vorführung andere Menschen überzeugen kann (was gelungen ist).

Mit diesem Text hier möchte ich jetzt das andere Ende dieser Bandbreite darstellen und Ihnen zeigen, daß ein öffentliches WLAN auch teuer sein kann. Und ich möchte beschreiben, warum diese Installation so teuer war, allerdings kann ich den entsprechenden Betrag nur schätzen. Ich hoffe, daß Sie nach der Lektüre dieses Textes verstehen, daß eine WLAN-Installation billig, in manchen Fällen aber auch teuer sein kann.

Genug der Vorrede, nun zu dieser teuren WLAN-Installation.


Gebäude

Das nachfolgend von mir beschriebene WLAN finden Sie in der Flüchtlingsunterkunft in der Hans-Bredow-Straße/Moltkering. Hier einmal ein Blick vom Dach dieses Gebäudes auf diese Stadt:


Hier finden Sie dieses Gebäude: auf Microsoft Bing und auf Google Maps.

In diesem Gebäude befand sich früher die Verwaltung einer Versicherung, die aber schon lange ausgezogen ist. Es wurde umgebaut in eine Flüchtlingsunterkunft, wobei Möglichkeiten für die Unterbringung von bis zu 600 Flüchtlinge vorgesehen wurden, mit allem, was für 600 Menschen benötigt wird. Das Gebäude besteht aus einem Teil mit 8 Stockwerken und einem Teil mit 2 Stockwerken. Und im Rahmen des Umbaus wurde jede Menge Technik von Freifunk verbaut; hier finden Sie die damalige Aufstellung: geplante Technik. Diese Liste entspricht auch weitgehend noch dem heutigen Stand der eingesetzten Technik. Aus der Aufstellung können Sie entnehmen, daß die Hardware Kosten von ca. 8.000€ verursachte. Insgesamt wurden 40 Zugangspunkte (Access Points vom Typ TP-Link CPE210) geschaffen, damit in jedem Teilgebäude und auf jedem Stockwerk ein guter WLAN-Empfang möglich ist. Von diesen Access Points aus laufen Kabel an Switches (Ubiquiti EdgeSwitch ES-24-250W), die diese Daten bündeln und an den Computer weiterleiten, der diese Daten dann verarbeitet (Server: HP ProLiant DL380 G5 2x Xeon E5450). Dazu kommen natürlich Kleinteile, die sie aber auf der angeführten Aufstellung finden können.

Wohlgeordnetes Chaos im Serverraum:
Switches und Server


Jetzt sind die Daten am Server, aber noch nicht im Internet. Bitte lassen Sie mich diesen Teil vorerst einmal überspringen.

Auch habe ich jetzt die Hardware und deren Kosten aufgezählt, aber die Geräte müssen auch eingebaut werden, Kabel gezogen, Löcher gebohrt usw. Dies geschah im Rahmen des Umbaus und somit komme ich zu dem Teil der Kosten, der nicht genau spezifizierbar ist. Es macht einen Unterschied, ob man eigens die benötigten Teile an die Wand dübelt und 200m Kabel verlegt (also Schlitze kloppt, Löcher durch die Wand bohrt etc.), oder ob dies im Rahmen von bereits stattfindenden Umbauten durchgeführt wird, also quasi "nebenbei" gemacht wird. Eine Aufschlüsselung der Kosten liegt mir nicht vor, das wird jetzt schwierig. Lassen Sie mich auch diesen Punkt erst einmal überspringen.

Die Geräte an die Wand zu dübeln und die Kabel zu verlegen, dies wurde von den Handwerkern im Rahmen des Umbaus gemacht. Den Server aufstellen, die Antennen auf dem Dach montieren, die Software einspielen, die notwendigen Einstellungen vornehmen und testen, testen, testen, auch dies ist Arbeit, und dieser Teil wurde von Freifunkern vorgenommen. Diese Arbeit haben Freifunker unbezahlt durchgeführt, die Arbeitsleistung wurde somit gespendet. Auch dies müsste man in einer Kostenaufstellung berücksichtigen, kann ich aber hier nicht machen, da diese von Freifunkern erbrachten Stunden nicht dokumentiert wurden.

Auf einen Punkt möchte ich jetzt zurückkommen: Anbindung ans Internet. Bisher hatte ich beschrieben, wie man im Haus ins WLAN kommt und welche Geräte daran beteiligt sind bzw. benötigt werden. Irgendwie landen die Datenpakete nun beim Server, aber wie geht es von dort weiter? Genauso wie vermutlich auch bei Ihnen: Über einen DSL-Anschluß. Ein solcher Anschluß ist vorhanden und bietet eine Geschwindigkeit von (max.) 16 MBit/s. Diese Geschwindigkeit müssen sich alle Teilnehmer am WLAN jetzt teilen, d.h. wenn einmal 30 Leute in der gleichen Sekunde eine Anforderung abschicken, dann wird diese durch die 16MBit-Leitung geschickt, die zurückkommenden Antworten auch (das ist die größere Datenmenge). Sie können sich vorstellen, daß dies einen Engpaß darstellt. Aber wir leben ja in Deutschland, da sollten wir doch froh sein, daß wir wenigstens so viel an Geschwindigkeit geboten bekommen und die Bits nicht mehr per reitendem Boten abgeholt bzw. geliefert werden.

Links hinter der Alu-Schiene versteckt sich der DSL-Anschluß:
das Gerät am blauen Kabel ist der DSL-Router


Diese Anbindung war nicht akzeptabel, somit musste man einen Ausweg suchen. Dieser Ausweg wurde auch gefunden: Richtfunk.

Richtfunk von/zur Unterkunft (rechts unten)

In obigem Bild sehen Sie grüne Linien, das sind Richtfunkstrecken, d.h. hier werden Daten per WLAN-Technik zu einer Gegenstelle gesendet, wobei die längste Strecke fast 3km lang ist. Die Gegenstelle nimmt die Daten entgegen, speist sie ins Internet ein und sendet die Antworten der von den Nutzern jeweils angesprochenen Server auf gleichem Wege in die Antennen auf dem Dach zurück, wo sie an den Server, von dort weiter an die jeweiligen Access Points und dort letztendlich an die Smartphones geleitet werden. Aber wir sind damit immer noch nicht beim Übergang ins Internet, wir sind jetzt nicht mehr bei der Flüchtlingsunterkunft sondern auf 4 Stationen, wo Daten ins Internet geleitet werden. Eine der Richtfunkstrecken dient "nur" der Weiterleitung der Daten, d.h. dort werden die Daten entgegengenommen und sofort auf gleichem Weg an einen weiteren Empfänger geleitet. Bei einem der Knoten übernimmt die Stadt Wiesbaden die Kosten des Internetanschlusses, 3 weitere Knoten werden von Privatpersonen übernommen. Somit ist die Flüchtlingsunterkunft per DSL (16 MBit/s) plus 4 weitere Internet-Anschlüsse ans Internet angebunden. Der Vollständigkeit halber möchte ich anfügen, daß die Stadt Wiesbaden die Kosten eines Servers (=Gateways) für Freifunk für den Zeitraum von 2 Jahren übernimmt.

So sieht diese Technik auf dem Dach der Unterkunft aus:


Auf dem Dach der Unterkunft
© Freifunk

Seit Mitte 2016 ist das WLAN in dieser Flüchtlingsunterkunft in Betrieb. Und so wird es genutzt:

Ausschnitt aus der Freifunk-Karte

Typischerweise sind dort zwischen 100 und 200 Smartphones angemeldet, es ist also keine ganz kleine Installation. Sicherlich ist dies nicht mit "Einer Kugel Eis" machbar.


Kosten

Die Kosten der Hardware finden Sie hier: geplante Technik. Das Anbringen der Hardware geschah im Rahmen der erfolgten Umbaumaßnahmen, wurde somit quasi "nebenbei" erledigt. Da diese Stunden nicht explizit ausgewiesen wurden, kann man diese Kosten nur schätzen. Ich nehme jetzt einen Betrag von 5.000€ an, damit dürfte ich recht gut liegen. Und für Hinweise auf Fehler meinerseits bin ich immer offen. Sie können mir über die Mail-Funktion rechts auf dieser Seite eine Mail mit Ihrer Kritik oder Ihrer Schätzung schicken.

In der Aufstellung der Kosten fehlt jetzt noch der Anteil der Freifunker an dieser Installation. Diese Arbeit erfolgte ehrenamtlich und unentgeltlich, somit sind der Stadt Wiesbaden dafür keine Kosten entstanden.


Fazit

Von "Einer Kugel Eis" bis zu dieser Flüchtlingsunterkunft reicht die Bandbreite der Kosten einer WLAN-Installation, also von 1,50€ bis zu 15.000€. Bitte vergleichen Sie dies mit der Aussage der Stadtpolitik, daß eine WLAN-Installation durchschnittlich 15.000€ kostet.


Luft nach oben

Gibt es auch größere WLAN-Installationen? Geht es auch teurer? Ja, das geht. Auf dem Hessentag vom 9. bis 18. Juni 2017 in Rüsselsheim hat Freifunk für das WLAN auf den öffentlichen Plätzen gesorgt. Hier finden Sie einen Überblick über die Installation:
Quelle: Freifunk auf Twitter

Und so wurde das WLAN am Hessentag genutzt:
Quelle: Freifunk auf Twitter

In der Spitze Über 800 Teilnehmer gleichzeitig im WLAN-Netz, fast 2.5 Terabyte an Daten, die in den wenigen Tagen des Hessentages übertragen wurden, das ist eine Nummer grösser als das von mir hier beschriebene WLAN in der Flüchtlingsunterkunft. Sicherlich ist diese Lösung noch ein Stück teurer als die hier beschriebene Lösung, aber es zeigt, was mit Freifunk machbar ist.

Auch hier gibt es noch Luft nach oben, denn dieses WLAN war ausgelegt auf bis zu 2.500 gleichzeitig angemeldete Teilnehmer. Auch das ist noch nicht das Ende.


Nachtrag zu Richtfunk

Richtfunk ist keine neue Technik und auch keine Entwicklung von Freifunk. Damit experimentierte man schon lange, es gab auch praktische Einsätze dafür. Ein Beispiel aus der Wikipedia: Richtfunkverbindung nach West-Berlin.

Auch im militärischen Bereich wurde Richtfunk eingesetzt. Hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1967:

© J. Becker, Baumholder, 1967

Mit diesem Geräten konnte man eine Strecke von bis zu 80km überbrücken. Damit kann und darf Freifunk nicht arbeiten.