Montag, 29. April 2019

Software kostet Geld


Wenn ich Software schreibe, dann arbeite ich und will für meine Tätigkeit auch bezahlt werden. Aus diesem Grund steht für mich fest, daß Software Geld kosten muß.

Neben meiner beruflichen Tätigkeit kann ich auch hobby-mäßig Software schreiben und diese dann kostenlos zur Verfügung stellen, das ist eine andere Geschichte. Aber grundsätzlich kostet Software Geld.

Aber wie üblich im Bereich des Wirtschaftens gibt es neben einer solch grundsätzlichen Aussage auch Fragen wie:

  • Stimmt das Verhältnis von Preis zu Leistung?
  • Gibt es Alternativen zu einem Produkt?
  • Gibt es möglicherweise woanders die gleiche Leistung zu einem geringeren Preis?
  • Oder gibt es woanders für den gleichen Preis eine höhere Leistung?

Und diese Fragen halte ich für zulässig. Aber zum konkreten Anlass dieses Textes.


Ausschuss Bürgerbeteiligung und Netzpolitik

Das Stadtparlament hat Ausschüsse, aus folgendem Grund:

Da kein Stadtverordneter alle Einzelprobleme überschauen kann und das Parlament die Vorarbeit von Sachkundigen braucht, werden Fachausschüsse gebildet. In sie werden besonders fachkundige Stadtverordnete entsandt.

Quelle: Seite der Stadt Wiesbaden

Und so gibt es auch einen Ausschuss, der sich mit den IT-Themen der Stadtpolitik beschäftigt: Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Netzpolitik. Was auch immer die Überlegungen waren, die Themen Bürgerbeteiligung und Netzpolitik zusammen in einen Ausschuss zu legen, sie sind nun einmal zusammen.


Abschluss eines Microsoft Volumenlizenz-Anschlussvertrages

Die letzte Sitzung dieses Ausschusses fand am 26. März 2019 statt: Einladung zur öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Bürgerbeteiligung und Netzpolitik am Dienstag, 26. März 2019, um 17:00 Uhr, Rathaus, Raum 318 (3. Stock), Schlossplatz 6, Wiesbaden. Auf dieser Tagesordnung finden Sie diverse Punkte, die sich mit IT-Themen beschäftigen. Ich möchte davon nur den Punkt 10 herausgreifen: Abschluss eines Microsoft Volumenlizenz-Anschlussvertrages. Hierzu gab es als Vorlage für diese Sitzung einen Antrag aus dem Magistrat: SITZUNGSVORLAGE Nr.19-V-20-0011. Dieser Vorlage hat der Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Netzpolitik am 26. März zugestimmt: 0024_Beschluss.pdf. Einen entsprechenden Beschluss hat auch der Haupt- und Finanzausschuss in seiner Sitzung am 27. März gefasst: 0066_Beschluss.pdf. Und letztendlich wurde dies vom Stadtparlament in der Sitzung am 4. April auch so bestätigt: 0082_Beschluss.pdf.

Dies geschah alles sehr kurzfristig, aber ab dem 1.4. wäre der alte Vertrag ausgelaufen, die Nutzung der Software in der Stadtverwaltung somit illegal gewesen. Dies ist wohl niemandem vorher (und das heißt rechtzeitig) aufgefallen.


Betrag

Beschlossen für diesen Zweck wurde ein Betrag von ca. 470.000€ für das Jahr 2019, den gleichen Betrag ebenfalls für die Jahre 2020 und 2021. Das ist immerhin fast eine halbe Million für ein Jahr, und bei einem Betrag in dieser Höhe ist die Frage gestattet, ob dieser Betrag gerechtfertigt ist. Dazu möchte ich auf die eingangs aufgeführten Fragen verweisen, die man in solch einem Fall immer stellen kann und sollte.


Kosten der Software

Software kostet Geld, wie ich dies auch bereits geschrieben habe. Die Kosten entstehen an unterschiedlichen Stellen, wobei nicht alle Stellen für jeden Anwender von Bedeutung sind. Software zu erstellen kostet Geld, dies trifft mich persönlich, aber das hatte ich bereits geschrieben. Für den hier betrachteten Fall des Einsatzes von Software in der Stadtverwaltung trifft dies nicht zu, da die Software als Standardsoftware eingekauft wurde und somit die Kosten der Entwicklung nicht vollständig von Wiesbaden bezahlt werden müssen sondern nur Lizenzkosten anfallen. Möglicherweise musste diese Software aber an die Bedürfnisse in Wiesbaden angepasst werden, was auch wieder Geld kostet. Und natürlich benötigt man für die Software einen Computer, der wiederum Strom benötigt, man benötigt Mitarbeiter für die Bedienung der Computer, die einen Arbeitsplatz benötigen usw. Und natürlich Drucker, Papier für diesen Drucker, Netzanschluss, Server, und ..... Und gelegentlich treten durch die Nutzung des Computers Probleme auf, dies beschreibt die Zeichnung am Ende dieses Textes. Zur Bearbeitung solcher Probleme braucht man Mitarbeiter, die diese Probleme lösen und dazu möglicherweise auf die Hilfe externer Firmen zurückgreifen.

All dies kostet Geld, unbestritten.

Aber trotzdem sind die eingangs genannten Fragen gestattet.


Verwendung des Geldes

Die hier beschlossenen Gelder für Lizenzen decken die Nutzung von Betriebssystem (Windows), Office-Anwendungen (Word, Excel, Powerpoint), Mail und Datenbanken ab. Dieser Betrag geht an die Firma Microsoft in den USA, wenn auch nicht in der beschlossenen Höhe, da auch noch deutsche Firmen beteiligt sind.


Alternativen

Im Sinne der oben beschriebenen Fragen gilt: Gibt es dazu Alternativen? Kann man eine andere Software nehmen als Betriebssystem? Für Office-Anwendungen? Für Mail? Für Datenbanken?

Meine Antwort dazu lautet: Ja. Ich möchte mit diesem Text nicht in die Details gehen, aber für alle diese Anwendungen gibt es Alternativen und das zugehörige Schlagwort lautet Open Source. Im Wikipedia-Artikel können Sie die Geschichte von Open Source nachlesen, insbesondere auch Gründe für das Entstehen dieser Software.

Open Source-Software ist nicht kostenlos, wobei die Nutzung dieser Software für Privatanwender meistens kostenfrei ist. Für große Unternehmen kann dies anders aussehen und in diesem Sinne ist die Stadtverwaltung als ein großes Unternehmen einzustufen. Auch fallen weitere Kosten an, wie z.B. die Unterstützung im Falle eines Fehlers. Solche Kosten fallen an bei Nutzung von Microsoft-Produkten als auch bei der Nutzung von Software aus dem Bereich Open Source.

Neben den Kosten einer Software gibt es auch den Punkt Abhängigkeit bzw. Vertrauen. Bei der Software der Fa. Microsoft handelt es sich um geschlossene Software, d.h. der Programmcode der Software wird als Kronjuwelen des Unternehmens angesehen und vom Unternehmen streng geheim gehalten. Bei einem Diebstahl dieser Software stehen Sie dann vor einem Gericht und können dafür im Gefängnis landen. Bei Open Source sieht man dies anders, hier liegt der Programmcode offen vor und kann von jedermann eingesehen (und sogar geändert) werden. Wem vertrauen Sie mehr: Vertrauen Sie einem Unternehmen, das Ihnen die Software als grosse schwarze Box liefert und Sie in diese Box nicht hineinsehen dürfen? Oder vertrauen Sie einem Unternehmen, das Ihnen eine grosse Box liefert, die die Software mitsamt der vollständigen Beschreibung aller Einzelteile liefert?

Für mich habe ich diese Frage entschieden: Vor ca. 15 Jahren habe ich meine PCs auf Open Source-Software umgestellt. Vermisse ich Windows? Nein, keine Minute. Mein PC läuft und tut, was er soll.


Fazit

Bei der angegebenen Entscheidung im Ausschuss war keine Gelegenheit, die oben angeschnittenen Fragen zu diskutieren, da dafür die Termine viel zu knapp waren. Aber wo kann man solche Fragen diskutieren? In der Stadtpolitik sehe ich kein Interesse an einer solchen Diskussion, auch sehe ich kein Gremium für eine solche Diskussion.

Die Landeshauptstadt Wiesbaden und eingesetzten IT-Dienstleister verfügen weitestgehend nur über qualifizierte Kenntnisse für die Installation und die Betreuung von Microsoft Desktop und Serverprodukten.

Quelle: Magistratsvorlage 19-V-20-0011

Diese Aussage der Stadt Wiesbaden dokumentiert, wie weit man in der Abhängigkeit gefangen ist.