Mittwoch, 3. April 2019

5G oder "Wer braucht schon einen 286er?"


Am 19. März begann in Mainz die Versteigerung der Frequenzen für den nächsten Mobilfunkstandard, der unter dem Kürzel 5G bekannt ist. 4 Firmen bewerben sich um diese Frequenzen, um damit ein Mobilfunknetz aufzubauen, das alles viel schöner machen soll, als es bisher ist. Wobei, bisher soll es hier ja auch schon schön sein, so sagt man.

Neu sind diese Schlagworte Digitalisierung/Internet/5G nicht. Vor ca. 18 Monaten gab es bereits ein Gipfeltreffen der EU-Staaten zu diesem Thema. Sinnigerweise fand dieses Treffen in Tallinn statt, damit man sich gleich vor Ort einmal anschauen konnte, wie das mit der Digitalisierung aussehen könnte. Frau Merkel als unsere Bundeskanzlerin nahm an diesem Treffe teil und muß wohl beeindruckt gewesen sein, denn ihr Sprecher sandte danach folgende Botschaft via Twitter:

Quelle: Twitter

Dieses Treffen fasste ihr Sprecher so zusammen:

Quelle: Twitter

Klare Aussage im September 2017: Frau Merkel hat erkannt, daß Deutschland nicht zur Weltspitze gehört. Und die Regierung hat daraus gelernt, denn bereits 13 Monate später fand ein weiterer Gipfel zu diesem Thema statt: Digitalisierungsgipfel am 15. und 16. Oktober in Tallinn.

Das Problem ist somit klar erkannt, also los gehts. Wobei der aktuelle Stand in Deutschland eher so beschrieben werden sollte:

Quelle: Twitter

Es dauerte noch weitere 6 Monate, bis mit dem ersten Schritt begonnen wurde, nämlich der Versteigerung der Frequenzen. Das wären dann schon 18 Monate Zeitverzug zwischen Erkenntnis (durch den Besuch von Tallinn) und erstem Schritt (Versteigerung der benötigten Funkfrequenzen), aber der Flughafen BER ist auch noch nicht in Betrieb.

Also gemach, in Deutschland braucht alles seine Zeit, nicht nur der Flughafen BER. Und in Deutschland begann man erst einmal eine Diskussion über das Thema: "Brauchen wir das überhaupt?". Und diese Frage wurde zugespitzt auf die Aussage: „Nicht jede Milchkanne braucht 5G.“. Einige Informationen dazu finden Sie hier in einem Beitrag der FAZ:


Zur Aussage unserer Bildungsministerin zur Milchkanne ein Kommentar:
Mal angenommen Sie steh'n mitten in der Pampa und woll'n mit ihrem Smartphone im Internet surfen. Keine Chance! Und wissen's warum? Weil neben Ihnen eine Milchkanne steht.

Quelle: Helmut Schleich auf Bayern 2


Was ist 5G?

Diese Frage möchte ich Ihnen hier nicht beantworten. Vielmehr verweise ich auf folgende Artikel, die die Möglichkeiten von 5G darstellen:
Ich möchte in diesem Text einen kleinen Aspekt aus dem grossen Bild herausgreifen und Ihnen diesen Aspekt an zwei Beispielen verdeutlichen. Also schaue ich mal zurück.


Beispiel #1: Versteigerung der Frequenzen für UMTS

Bitte erinnern Sie sich zurück an das Jahr 2000: Damals begann das mobile Internet-Zeitalter und es begann mit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Deutschland. Damals wurden 100 Milliarden DM für die Nutzung der entsprechenden Frequenzen gezahlt, die in der Kasse des damaligen Finanzministers Hans Eichel landeten.

UMTS bot initial eine Geschwindigkeit von 384 kBit/s, die aber später noch gesteigert wurde. Damit konnte man schon eine Menge machen, damals.

Nutzen Sie WhatsApp? Das Unternehmen WhatsApp wurde 2009 gegründet, also lange nach der Auktion von 2000. Und so richtig durchgesetzt hat sich diese Anwendung mit der Verbreitung der Smartphones und der Steigerung der Übertragungsgeschwindigkeiten.

Bei der Versteigerung der Frequenzen für UMTS konnte niemand an die Anwendung WhatsApp denken, da es dieses Programm damals noch nicht gab. Heute gibt es dieses Programm und es ist für viele Menschen aus ihrem Alltag nicht mehr wegzudenken.


Beispiel #2: Wer braucht schon einen 286er?

Mit meinem zweiten Beispiel möchte ich noch weiter zurückgehen, und zwar in das Jahr 1985 (1984? 1986? Ich bin mir da nicht mehr so sicher). Damals musste man im Frühjahr nach Hannover auf die CeBIT pilgern, um sich über die neuesten Entwicklungen in der IT-Branche zu informieren, und somit war auch ich dort. Auf dem Stand einer Computerfirma nahm mich der Chef dieses Unternehmens zur Seite und stelle mir diese Frage: "Wer braucht schon einen 286er?". Das Unternehmen stellte diverse Personalcomputer mit dem Chip 8088 aus, der damals Standard in einem PC war. Aber man hatte auch einen PC mit dem Chip 286 vorbereitet, den man aber nicht öffentlich vorführte. Aber wofür braucht man diesen? Einen Computer mit dieser Rechenleistung? Für einen Server, ja natürlich, aber am Arbeitsplatz?

286

Bei dieser Zahlenkombination handelt es sich um eine Typenbezeichnung. Die Firma Intel stellt diverse Chips her, die hauptsächlich in PCs, aber auch in anderen Geräten verbaut werden. Im ersten PC von IBM arbeitete ein Chip von Intel mit der Typenbezeichnung 8088. Das Unternehmen Intel ist dafür bekannt, daß sie ihre Produkte beständig weiterentwickeln und leistungsfähiger machen. Und so kam nach dem 8088 der 286er, auch bekannt als 80286, heraus. Und darauf folgte der 386, darauf der 486, darauf der Pentium, darauf der Pentium Pro, danach der Pentium II, danach der Pentium III, danach der Pentium 4, .... Irgendwie habe ich an dieser Stelle der Entwicklung den Faden verloren, aber ich kann Ihnen versichern, daß es weiterging. Hier finden Sie eine Übersicht über die einzelnen Produkte der Firma Intel: Liste der Mikroprozessoren von Intel.

Jede Neuankündigungen präsentierte einen Chip, der leistungsstärker als der damals aktuelle Stand war. Meist waren die neuen Chips schneller, manchmal enthielten sie neue Befehle zur Verarbeitung von Daten. Manchmal waren es grosse, manchmal auch nur kleine Fortschritte.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden heute an einem PC mit einem 286er arbeiten, sei es am Arbeitsplatz oder in Ihrem Smartphone würde ein Chip mit dieser Leistung stecken. Glauben Sie mir, Sie würden diesen PC aus dem Fenster werfen und Ihr Smartphone an die Wand knallen. Die heutigen Tätigkeiten wären mit einem solchen Chip nicht mehr machbar, die heutige Software würde auf diesem Chip nicht mehr (oder schnarchlangsam) laufen.

Hat man diese Entwicklung vorhergesehen? Bitte denken Sie an meine Eingangsfrage, da wußte man auch nicht, was man mit diesem tollen neuen Prozessor (Stand 1985) eigentlich machen könnte. Und heute sind wir fast 35 Jahre weiter und würden dieses Teil nicht mehr anfassen.


Fazit

Heute haben wir Computer mit Chips, die viele Entwicklungsstufen weiter sind als der 80286. Heute haben wir im Bereich mobiles Internet Übertragungsgeschwindigkeiten, die ein Vielfaches höher liegen als der Standard UMTS. Und wir betrachten die Arbeitsgeschwindigkeit eines 286ers heute als unzumutbar, ebenfalls die Übertragungsgeschwindigkeit von UMTS. Wir wenden heute Software an, die zum Zeitpunkt der Einführung des 286ers nicht nur unbekannt sondern kaum vorstellbar war, entsprechend gilt dies auch für die Geschwindigkeiten im drahtlosen Internet. Und so wird es auch mit dem Standard 5G gehen.

Vielleicht haben Milchkannen in Zukunft wirklich eine Internetanbindung, sofern es in Zukunft noch Milchkannen geben wird. Für landwirtschaftliche Maschinen ist heute schon absehbar, daß sie eine Internetanbindung brauchen werden: Mobilfunkstandard 5G: Mehr Bit für Bauern! (der Text ist leider hinter einer Mauer).

Auch wird heute gerne auf autonom fahrende Autos verwiesen, für die wir den Standard 5G brauchen. Möglicherweise wird diese Form der Datenübertragung die Autos in ihrer Fahrweise ohne menschliches Zutun unterstützen, aber die Autos fahren heute bereits im Test, ohne daß ein Fahrer die Hand am Steuer und den Fuß auf Gas/Bremse hat. Das sind halt die üblichen Sprüche unserer gewählten Vertreter, sie denken halt in den Kategorien einer Milchkanne und entsprechend sind auch ihre Aussagen zum Thema 5G zu bewerten.

In Deutschland sieht man sofort und auch gerne die negativen Aspekte einer Veränderung. Der technische Fortschritt hatte hier schon immer einen schweren Stand, was ich mit diesem klassischen Zitat belegen möchte:
"Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung."

Quelle: Wilhelm II über die Zukunft der Mobilität



Nachtrag

So ließ Frau Merkel ihren Pressesprecher ausrichten: "... dass wir noch weit von Weltspitze entfernt sind.". Als Beleg dazu möchte ich Ihnen diese Aussage vom Februar 2019 präsentieren:
Während in Deutschland noch über die Ausgestaltung der 5G-Auktion gestritten wird, erhält die Schweiz in wenigen Wochen erste kommerzielle 5G-Angebote. Sunrise hat am Donnerstagmorgen laut «Erster!» gerufen und die Lancierung von 5G im nächsten Monat angekündigt.

Quelle: Sunrise lanciert 5G bereits nächsten Monat

Nicht nur die Schweiz kann so etwas. Was würde ein Datenvolumen von 150GB kosten, inkl. der Nutzung von 5G? Das kostet etwa 66 US-$ pro Monat, aber dafür müssen Sie nach Südkorea schauen: South Korea: 5G data will cost $50 to $110 monthly, no unlimited plan.

Aktuelle Nachricht am 4. April 2019 11:45: Flächendeckendes 5G ist gestartet - in Südkorea. In Deutschland bietet man noch.