„Wir brauchen das schnellste Internet der Welt“

Dieser Satz stand vor längerer Zeit einmal in Deutschlands populärster Zeitung: Minister Dobrindt gibt die Richtung vor.

Ein schöner Satz, lässig ausgesprochen. Und im Interview geht es weiter mit den schönen Sätzen, dort sagte der Minister:

"Auch als Minister ist man immer etwas General, gibt die Richtung vor und lenkt die Truppenteile."

"Deutschland braucht das schnellste und intelligenteste Netz der Welt. Nur so kann der Vorsprung in Technologie und Wohlstand gehalten werden."

"Die Daten- und Verkehrsströme sind gleichermaßen Lebensadern dieses Landes. Über den künftigen Wohlstand unserer Gesellschaft entscheidet vor allem der Ausbau der digitalen Infrastruktur."

"Es ist mein Job, dafür zu sorgen, dass in Deutschland die Menschen Zugang zu schnellen und intelligenten Datennetzen haben."

Quelle: "Der neue Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt (43, CSU), will bis 2015 ... Deutschland zum Internet-Weltmeister machen." aus Bild.de vom 22.12.2013

Ankündigung

Herr Dobrindt ist Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, und zwar seit dem 17. Dezember 2013. Das obige Interview wurde am 22. Dezember 2013 veröffentlicht, diesen Satz hat er somit kurz nach Antritt seines Amtes gesagt.

2015 war das Jahr, in dem wir Internet-Weltmeister sein sollten. Und so hat Herr Dobrindt im August 2015 dann ein Programm zur Förderung des Ausbau des Internets in Deutschland vorgestellt: Bund gibt Milliarden für schnelles Internet aus . Mit diesem Programm sind wir in 2015 noch nicht Weltmeister, das Programm beschreibt nur den Weg dorthin, aber es gibt folgendes Ziel vor:

"Ziel ist es, in ganz Deutschland bis 2018 Internetanschlüsse mit Surfgeschwindigkeiten von mindestens 50 Megabit je Sekunde verfügbar zu machen."

Quelle: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/minister-dobrindt-will-breitbandausbau-mit-milliarden-foerdern-13770368.html, aus FAZ.net vom 27.8.2015

Im Oktober 2015 folgte auf die Ankündigung eines Programms die Ankündigung des Förderungsprogramms:

Wir reden jetzt nicht mehr von der Weltmeisterschaft in 2015, das Jahr ist im Oktober 2015 schon fast vorbei und getan wurde nichts. Und wir reden auch nicht mehr vom schnellsten Internet der Welt sondern von einer Geschwindigkeit von 50 MBit/s. Das ist ein kleiner Unterschied, wie ich noch ausführen werde.

Wofür brauchen wir Internet ?

Internet ist nicht Facebook, Twitter oder Youtube, auch nicht die diversen Porno-, Dating- oder Glücksspiel-Seiten. Diese Seiten findet man auch im Internet, aber im wesentlichen ist Internet Wirtschaft. Als Belegt möchte ich auf diesen Satz verweisen, der am Beispiel des Schwarzwaldes die Situation so beschreibt:

"Früher gab es für eine Region ohne Bahnanbindung keine Chance, zu Wohlstand zu kommen, später war es die Straßenanbindung, morgen ist es Breitband"

Quele: Wirtschaft fordert Schnelles Internet in jedem Schwarzwaldtal aus FAZ.net vom 17.08.2015

Und ein aktuelles Beispiel dazu fand ich in der FAZ:

Leidvolle Erfahrungen mit dem Thema hat beispielsweise die Firma Amenda Transporte im oberbayerischen Markt Hohenwart gemacht. Seit vielen Jahren plagen sich Dispositionsleiterin Petra Amenda und ihre Mitarbeiter mit der schlechten Netzanbindung. Probleme bereitet das nicht nur bei der Auftragsabwicklung, sondern auch bei der elektronischen Fehlersuche in der firmeneigenen Lkw-Werkstatt.

Quelle: Viele Firmen kämpfen mit dem Breitband-Anschluss aus FAZ.net vom 2.01.2016

Das Internet in Deutschland in seiner aktuellen Ausbauform behindert die Firmen in ihrer Arbeit.

Wie schnell soll das Internet sein ?

Das Internet und die Übertragungstechnik ist nichts statisches, es unterliegt Veränderungen in Richtung der Übertragung grösserer Datenmengen mit höheren Geschwindigkeiten. Ich möchte dazu zwei Beispiele angeben:

Als erstes Beispiel möchte ich die Anbindung meines PCs an das Internet nennen. In diese Online-Welt bin ich ca. 1992¹⁾ eingetreten. Das war damals das Unternehmen CompuServe, das es heute auch nicht mehr gibt. Und der Anschluß an das Netz von CompuServe erfolgte über ein externes Modem, das die Daten von Wiesbaden nach Frankfurt und zurück²⁾ mit der wahnsinnigen Geschwindigkeit von 2.400 Bits/Sekunde übertrug. Heute bin ich ans Internet angebunden mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 100 Millionen Bits/Sekunde. In der Zeit von 1992 bis 2015 wuchs somit die Geschwindigkeit, mit der mein PC ans Internet angebunden war, um einen Faktor >40.000. Verteilt man diese Steigerung gleichmäßig auf die 23 Jahre, so ergibt dies für jedes Jahr einen Zuwachs von >50%.

Als zweites Beispiel möchte ich auf das Unternehmen DE-CIX verweisen. In den Rechenzentren dieses Unternehens laufen die Kabel diverser Internetanbieter zusammen, um Daten auszutauschen, damit die Daten vom Netz eines Anbieters in das Netz eines anderen Anbieters kommen. Sie finden eine Darstellung des Unternehmens in der Wikipedia, auch DER SPIEGEL hatte bereits im Jahre 2008 einen Artikel dazu: Deutschlands dickster Knoten.

Hier eine Darstellung, wie sich die Datenmenge am Knoten in Frankfurt über die letzten Jahre entwickelt hat:

Sie finden dieses Bild auf der Seite 8 dieser Präsentation: DE-CIX Premium Internet Exchange Services.

Die Aufstellung beginnt im Jahre 2006 mit ca. 0,1 TBit/s³⁾ und endet im Jahr 2015 mit mehr als 5 TBit/s. Über den dargestellten Zeitraum von 10 Jahren sehen Sie ein Wachstum der von DE-CIX in Frankfurt verarbeiteten Datenmenge von über 45% pro Jahr. Es ist aktuell nicht absehbar, daß dieser Wachstumstrend in naher Zukunft abflacht. Neue Dienste werden auf das Internet verlagert; aktuell sind dies Telefon, Fernsehen als auch Videodienste usw. Weitere Dienste werden kommen, auch solche, an die wir heute noch nicht denken.

Wie schnell ist schnell ?

Im Rahmen des erwähnten Programms hat die Bundesregierung das Ziel ausgegeben, eine Anbindung mit 50 Millionen Bits/Sekunde praktisch überall in Deutschland zu erreichen. Das klingt gut, 50 MBit/s. Aber wo stehen wir im Vergleich zu anderen Ländern?

Aktuelle Übersichten liefert eine Studie der Firma Akamai⁴⁾, einem Anbieter von Geräten, die die Übertragung der Daten im Internet beschleunigen. Das Unternehmen Akamai veröffentlichte vor wenigen Tagen akamai’s [state of the internet] Q3 2015 report, aus dem ich folgende Übersichten kopiert habe:

Die Aufstellungen beziehen sich auf den EMEA-Raum (Europe, Middel East and Africa) und haben folgende Bedeutung:

• alle 5 Aufstellungen haben folgende Struktur:
  • alle Angaben beziehen sich auf Festnetz-Anschlüsse, es wird kein mobiles Internet berücksichtigt
  • in Spalte 1 die Rangfolge
  • in Spalte 2 den Namen des Lande
  • in Spalte 3 den jeweiligen Wert für dieses Land im 3. Quartal 2015
  • in Spalte 4 die Veränderung zum vorigen Quartal⁵⁾
  • in Spalte 5 die Veränderung in den letzten 12 Monaten⁶⁾
• Figure 28: im Durchschnitt bietet ein Internet-Anschluß in Deutschland eine Geschwindigkeit von 11.5 MBit/s, D. liegt damit auf Platz 22
• Figure 29: die gemessene Höchstgeschwindigkeit, gemittelt über alle Anschlüsse, liegt bei 49 MBit/s⁷⁾, D. liegt damit auf Platz 32
• Figure 30: 87% der Anschlüsse in Deutschland bieten eine Geschwindigkeit >4 MBit/s (somit sind 13% langsamer), D. liegt damit auf Platz 28
• Figure 31: 37% der Anschlüsse in D. bieten eine Geschwindigkeit >10 MBit/s (somit sind 63% langsamer), D. liegt damit auf Platz 25
• Figure 32: 19% der Anschlüsse in D. bieten eine Geschwindigkeit >15 MBit/s (somit sind 81% langsamer), D. liegt damit auf Platz 23

In der Rangfolge liegt Deutschland irgendwo im Mittelfeld, nicht einmal in der Spitzengruppe. Weltmeister sind wir nicht, wir sind ein schönes Stück von der Spitze entfernt.

Herr Dobrindt selbst hat auch dieses Problem, denn Alexander Dobrindt kommt nicht ins Netz, wobei er mit 16 MBit/s schon eine für Deutschland überdurchschnittliche gute Anbindung hat.

Zusammenfassung

Es ist schön, daß die Bundesregierung das Problem erkannt hat und etwas tun will, endlich. Aber mit 50 MBit/s im Jahre 2018 sind wir nicht Weltmeister, denn beim Wachstum dieser Branche entspricht dies einer Geschwindigkeit von 20 MBit/s im Jahre 2015.

Bei Ankündigung des Förderprogramms gab es dazu folgenden Kommentar:

Eine weitere Dauerbaustelle deutscher Netzpolitik ist der Breitbandausbau. Nachdem die Ziele zum schnellen flächendeckenden Internet von den vorherigen Bundesregierungen regelmäßig nicht erreicht wurden, kündigte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zum Amtsantritt eine neue Offensive an: "Deutschland braucht das schnellste und intelligenteste Netz der Welt", sagte er damals der "Bild am Sonntag". Schon damals gab es in Tokio 2-Gigabit-Anschlüsse für 40 Euro im Monat.

Quelle: Großbaustelle Digitalisierung aus Welt.de vom 28.08.2015

Ich möchte den letzten Satz dieses Zitats noch einmal belegen: Japan: Glasfaser mit 2 Gigabit/s für 40 Euro/Monat⁸⁾. Mit diesem Programm und dem Ziel, eine Anbindung von 50 MBit/s zu erreichen, werden wir kein Internet-Weltmeister.

Dies ist ein langer Text, er lässt sich in einem Satz zusammenfassen: mit dem Plan von Herrn Dobrindt werden wir im Jahr 2018 nur noch einen Faktor 40 hinter dem Angebot aus Tokio (des Jahres 2013) liegen. Deutschland ist Mittelmaß, Weltmeisterschaft sieht anders aus.

Wieso muß ich bei Herrn Dobrindt immer an diese Karikatur denken: Das Dobrind?


Nachtrag: nach Fertigstellung dieses Textes erhielt ich einen Hinweis auf einen Artikel in der Süddeutchen Zeitung zum Thema Flüchtlinge. Darin findet man folgenden Satz:

Die Internetübertragung in der Notunterkunft ist offenbar so langsam, dass die Bundespolizei die vielen elektronischen Fingerabdrücke nicht schnell genug in die zentrale Datenbank einspeisen können.

Quelle: Warum die Maßnahme wohl wirkungslos bleibt aus sueddeutsche.de vom 7. Januar 2016 um 18:57 Ihr

Es fehlt halt ein schnelles Internet.



Anmerkungen:

1) Es könnte auch 1993 gewesen sein.

2) Von Frankfurt aus ging es dann über ein Netz von Compuserve weiter in deren Rechenzentrum in die USA.

3) 1 TBit/Sek entspricht 1.000 Milliarden Bits pro Sekunde

4) Wikipedia hat einen Artikel zu Akamai.

5) QoQ = Quarter on Quarter

6) YoY = Year on Year

7) Das betrifft z.B. den Download eines Videos, wo die Höchstgeschwindigkeit erreicht werden kann

8) Dieser Text wurde am 17.04.2013 um 15:58 Uhr veröffentlicht.