Wiesbaden ist etwas Besonderes. Darüber mag man streiten, auf jeden Fall sehen die Wiesbadener das so. Und so verwundert es nicht, daß hier alles etwas feiner und somit auch etwas teurer ist als anderswo. Dies betrifft auch das Thema WLAN, zumindest mal das öffentliche WLAN. Die Stadtpolitik hat erst die Entwicklung verschlafen, andere Orte haben längst ein öffentliches WLAN. Also will man in Wiesbaden jetzt zwar spät, aber dafür mit Macht dieses Thema angehen. Und es muß ein besonderes WLAN sein, natürlich. Und jetzt beginnt der Aktionismus.
Wo
Wo soll es denn öffentliches WLAN geben? Die Stadt Wiesbaden hat sich bisher nicht dazu geäußert, aber die Ortsbeiräte in diversen Stadtteilen haben Wünsche angemeldet. Diese liegen dem Stadtparlament und der Stadtverwaltung vor. Sie können sich diese Beschlüsse auch selbst ansehen, wenn Sie dazu auf diese Seite gehen: Politisches Informationssystem Wiesbaden (PIWi). Auf der Seite wechseln Sie bitte in den Tab Erweiterte Suche und geben in der Suchzeile den Text WLAN ein. Nun markieren Sie bitte noch in der Rubrik Suche nach alle Kästchen und danach klicken Sie auf den Button Suche. Die Seite präsentiert Ihnen dann alle vorhandenen Informationen zum Thema WLAN, soweit sie öffentlich zugänglich sind. Viele Worte, so sieht das aus:Anfrage an PIWI zum Thema WLAN | |
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Anfrage an PIWI | Ausschnitt aus der Antwort |
Einen Hinweis möchte ich noch anbringen: Für die Gestaltung und Bedienung dieser Seite bin ich nicht verantwortlich.
Kosten
Solch eine Aktion kostet Geld, niemand arbeitet ohne Bezahlung. Also hat man mal die Kosten für WLANs, betrieben bzw. bezahlt von der Stadt Wiesbaden, aufgestellt, denn diese Beträge müssen in den Haushalt der Stadt Wiesbaden eingestellt werden, d.h. vom Stadtparlament beschlossen werden. So lauten diese Zahlen in der entsprechenden Vorlage:- für die Installation eines WLANs rechnet die Stadt Wiesbaden mit einmaligen Kosten in Höhe von 15.000 € im Durchschnitt pro Installation
- für den laufenden Betrieb des Internetanschlusses fallen pro Jahr 20% dieses Betrages an, d.h. 3.000 € pro Jahr je WLAN
- für Planung und Koordination dieser Aktivitäten benötigt die Stadt Wiesbaden 50.000 €, jeweils für 2018 und 2019
Stolze Beträge, die von den Steuerzahlern aufgebracht werden müssen. Es kann sich also nur um ein Premium-Produkt handeln.
Dazu möchte ich einige Anmerkungen machen, möchte aber etwas ausholen.
Internetanschluß
WLAN ist eine Technik, um einem Notebook, Tablet oder Smartphone einen Internetzugang zu bieten. Basis dafür ist ein Internetanschluß, an den ein WLAN-Router (oder Access Point) angeschlossen wird. Dieser WLAN-Router baut dann das WLAN-Netz auf, das von den entsprechenden Geräten benutzt wird, d.h WLAN überbrückt die Strecke zwischen Router und Endgerät. WLAN verwendet man, weil die Technik ausgereift, einfach zu installieren und preisgünstig ist. Außerdem kann man in ein WLAN ohne grössere Probleme zusätzliche Geräte einbinden, was über andere Techniken Probleme verursacht. Stellen Sie sich nur einmal vor, man würde dies über eine Kabelverbindungen zwischen Endgerät und Router versuchen...... Man benötigt also einen Internetanschluß und ein Gerät, das das Funknetz aufbaut und bedient (einen entsprechenden Router oder Access Point). Damit komme ich zu den Kosten einer solchen Lösung.Kosten eines Internetanschlusses
Sie haben vermutlich einen Internetanschluß. Bitte erinnern Sie sich daran, was Sie damals für die Installation des Anschlusses bezahlt haben. Ich will jetzt mit den Zahlen für meinen Anschluß argumentieren, Ihre Zahlen dürften ähnlich sein.Für die Installation meines Internetanschlusses habe ich nichts bezahlt, 0,00 €. Darin enthalten war ein Router, der WLAN-fähig war. Im Rahmen der Installation des Internetanschlusses wurden im Keller des Hauses etliche Teile angebracht, kostenlos.
Nach den Kosten der Installation komme ich nun zu den Betriebskosten: Dieser Internetzugang kostet mich pro Jahr 540 € (= 45 € pro Monat), wobei ich auch den schnellsten Internetzugang habe, den man als Privatperson aktuell bestellen kann.
Bitte vergleichen Sie diese Zahlen mit den Kosten Ihres Anschlusses und danach mit den Zahlen, die man aus der Stadtpolitik hört.
Beispiel Heßloch
Der Ortsbeirat in Heßloch hat für seinen Stadtteil einen Antrag auf ein öffentliches WLAN gestellt. Vorgeschlagen wurden dabei zwei Orte, einmal eine Bushaltestelle und einmal ein Haus im Ortskern. Für das Haus im Ortskern liegt dem Ortsbeirat ein Angebot eines Unternehmens vor, das für die Installation des WLANs einen Betrag von ca. 100 € und für die Betriebskosten einen monatlichen Betrag von ca. 40 € vorsieht. Die Stadt Wiesbaden hat dem Ortsbeirat geantwortet und ich möchte die Stellungnahme der Stadt ungekürzt zitieren:Die Durchschnittskosten, einen öffentlichen Platz in der Stadt qualitativ hochwertig mit WLAN zu versorgen, liegen im Schnitt bei ca. 15.000 bis 20.000 Euro einmalig, und nochmal bis zu 20% pro Jahr laufende Kosten. Dies deckt sich mit den Summen, die auch andere Städte, z.B. Mainz, aufgewendet haben. Ein handelsüblicher DSL-Anschluss mit einfachem Access-Point kann natürlich auch installiert werden und wäre kostengünstiger. Eine solche Ausstattung hat qualitative Einschränkungen in der Bandbreite, Reichweite und vor allem in der Stabilität und Verfügbarkeit (wer ist bei einem Routerausfall zuständig und in der Lage zu entstören?) eine Integration in das städtische WLAN wäre nicht gegeben und die Störerhaftung läge bei der Stadt. Ein städtisches WLAN, das auch durch die LHW beworben wird, muß einem höheren Qualitätsanspruch genügen.
Quelle: Schreiben an den Ortsbeirat Heßloch
Zu diesen Punkten möchte ich im Einzelnen Stellung nehmen.
Vorbemerkung
WLAN ist ein Standard, der weltweit verbindlich ist, allerdings haben einzelne Länder kleinere Modifikationen an diesem vorgenommen. Sie finden die Beschreibung des Standards als auch die regionalen Abweichungen hier: IEEE 802.11. Zusätzlich gibt es eine Organisation, die Geräte auf ihre Übereinstimmung mit den Standards prüft: Wi-Fi Alliance. Es darf kein WLAN-fähiges Gerät verkauft werden, das nicht von dieser Organisation geprüft und für gut befunden wurde. U.a. wird geprüft, daß die von der Antenne abgestrahlte Energie nicht über 0.1 W liegt (im 2,4 GHz-Band).Auch die Stadt Wiesbaden kann und darf keine Geräte einsetzen, die nicht den entsprechenden Normen genügen.
Installation
Für ein öffentliches WLAN in Heßloch am Kelterhaus benötigt man einen DSL-Anschluß plus einen Router, wobei der DSL-Anschluß bereits vorhanden ist. Über einen solchen DSL-Anschluß sind Geschwindigkeiten bis zu 50 MBit/s möglich, wobei man damit sicher 20 Teilnehmer im WLAN-Netz versorgen kann, vermutlich auch mehr. Allerdings können nicht alle Teilnehmer über dieses WLAN einen Film bei Netflix schauen, aber diese Möglichkeit würde auch die Stadt Wiesbaden nicht bieten (im WLAN am Rathaus in Wiesbaden geht das auch nicht).Und laut dem Angebot an den Ortsbeirat Heßloch würde ein Unternehmen für die notwendige Installation der Geräte einen Betrag von 100 € berechnen.
Einschränkungen
Da diese Geräte genormt sind, kann eine Stadt Wiesbaden keine höhere Reichweite für ihr WLAN anbieten als sie jede Privatperson am privaten WLAN vorfindet. Die verfügbare Bandbreite hängt u.a. am DSL-Anschluß, über den die Daten der Nutzer ins Internet eingespeist werden. Und eine hohe Verfügbarkeit eines WLAN-Angebotes garantiert auch keine Stadt Wiesbaden bei ihrem WLAN-Angebot am Rathaus (siehe: WLAN mit Vertrag).Routerausfall
Bitte überlegen Sie, wie oft bei Ihnen der Router ausfällt. Und was unternehmen Sie dann? Normalerweise trennt man den Router vom Strom, wartet ca. 30 Sekunden und verbindet ihn danach wieder mit dem Stromnetz. Nach einigen weiteren Minuten des Wartens funktioniert dies auch wieder. Eine solche Aufgabe kann man auch an einen Bürger delegieren, genauso macht es die Stadt Wiesbaden ja auch für die Kästen mit den Beuteln für Hundekot, die von einem Paten betreut werden, der die Kästen auffüllt.WLAN ist keine lebensnotwendige Einrichtung, wenn es mal ausfällt, dann ist dem halt so. Und wenn es am nächsten Tag wieder zur Verfügung steht, dann ist das OK. Und je mehr WLAN-Angebote es gibt, desto weniger fällt ein einzelner Ausfall ins Gewicht (wenn er denn nicht auf Dauer ist). Ein Ausfall eines WLANs hat nicht die Priorität eines Ausfalls von elektrischem Strom.
Integration
Eine Integration in das städtische WLAN-Netz ist angedacht? Da es aktuell kein städtisches WLAN-Netz gibt, kann man sich unter einer solchen Integration nichts vorstellen. Allerdings hat Freifunk in Wiesbaden vorgeführt, was dies heissen kann: Sofern man sich einmal in Wiesbaden in das Freifunk-WLAN-Netz eingewählt hat, klappt die Anmeldung im Freifunk-Netz an einem anderen Ort oder Tag ohne Probleme. Für diese Eigenschaft des WLAN-Netzes muß eine Stadt Wiesbaden nichts tun, dafür ist alles vorhanden.Störerhaftung
Eine Erläuterung dieses Themas finden Sie auf der entsprechenden Wikipedia-Seite. Dieses Risiko, von einem Anwalt mit einem Verfahren überzogen zu werden, ist vom Gesetzgeber endlich abgeschafft worden (Analyse: Endlich offenes WLAN! ). Allerdings war dieses Gesetzt zum Zeitpunkt der Antwort an den Ortsbeirat noch nicht in Kraft getreten. Aber ab sofort gibt es dieses Monstrum nicht mehr, dies ist heute kein Argument mehr.Werbung für WLAN
Am Ort des WLANs bringt man ein Hinweisschild an, daß es hier WLAN gibt. So haben wir dies am Weinstand in Erbenheim auch gemacht (siehe hier: Austrinken (Wein-LAN #4)). Will die Stadt Wiesbaden mit einem WLAN-Angebot werben? Für das WLAN am Rathaus gibt es auch keinen Hinweis, nur Insider wissen von der Existenz des WLANs. Ein WLAN-Angebot ist heute Standard, damit kann man überregional nicht mehr punkten. Oder will man mit dem Slogan werben: "WI ist die letzte Stadt, die WLAN anbietet"?Höherer Qualiätsanspruch
Ansprüche kann man ja haben, aber dann sollte die Praxis auch entsprechend sein. In dieser Frage muß die Stadt Wiesbaden erklären, was sie unter dem höheren Qualitätsanspruch versteht. Das WLAN der Stadt Wiesbaden am Rathaus erfüllt keinen Qualittätsanspruch.Zusammenfassung der Argumente
Bitte vergleichen Sie diese Zahlen mit den Zahlen der Stadt Wiesbaden; am Beispiel Heßlochs fragt man sich dann schon, was die Stadt Wiesbaden mit dem Betrag von 14.900 € macht, die sich als Differenz zwischen dem schriftlichen Angebot des Unternehmens an den Ortsbeirat Heßloch und der Kalkulation der Stadt Wiesbaden ergibt.Fallunterscheidung
Nun sind nicht alle WLAN-Installationen gleich und eine WLAN-Installation bei einer Privatperson ist etwas anderes als eine solche Installation am Rathaus in Wiesbaden. Einige solcher Fälle hatte ich schon einmal beschrieben und entsprechende Kosten dargestellt: Was kostet 1 Pfd. WLAN ?.Ich will hier noch einmal die Kosten an einigen Beispielen darstellen und fange dazu mit einem einfachen Fall an: WLAN an einem Ort mit Besucherverkehr, z.B. das Bürgerbüro in der Schwalbacher Strasse. Dorthin kommen Bürger, um z.B. den Ausweis oder den Pass zu verlängern. An diesem Ort sitzen Mitarbeiter der Stadt Wiesbaden und dort gibt es auch Computer, die an ein Netzwerk angeschlossen sind. Öffentliches WLAN lässt sich an diesem Ort einfach realisieren: Man stelt einen entsprechenden Router auf, schließt diesen an Strom und Netzwerk an und fertig. Gut, das ist vereinfacht, aber so geht es. Man sollte zumindest noch ein Schild anbringen, daß es hier WLAN gibt.
Kosten: Ein Router plust (höchstens) eine Stunde Arbeit.
Die Situation in Heßloch hatte ich bereits dargestellt und sie ist geringfügig aufwändiger als das eben beschriebene Beispiel, aber auch hier sind die Kosten für die Stadt Wiesbaden sehr gering. Ich möchte mich wiederholen: ca. 100 € für die Installation plus ca. 40 € pro Monat für den Betrieb.
Das nächste Beispiel wäre ein grösserer Platz, auf dem man WLAN anbieten will. Dies ist natürlich etwas aufwändiger, aber am Weinstand in Erbenheim habe wir auch den gesamten Platz mit ca. 4.000 Quadratmetern mit WLAN versorgt. Und auf den Filmnächten auf den Reisingeranlagen gab es auch WLAN: "Gibt es hier WLAN ?". Und die Kosten dieser Aktion waren auch überschaubar: Was kostet 1 Pfd. WLAN ?. Dieses WLAN versorgte bis zu 180 Teilnehmern, da kommt das Qualitäts-WLAN der Stadt Wiesbaden am Rathaus nicht mit. Und das alles zu Kosten von weniger als 1.000 €, die aus privater Tasche finanziert wurden. Die aufgebaute Technik war ein Provisorium, bei einer festen Lösung lägen die Kosten vermutlich etwas höher.
Ein Beispiel für WLAN auf eine grosse Veranstaltung war der Hessentag in Rüsselsheim: Freifunk@Hessentag 2017. Hier wurde ein WLAN-Netz aufgebaut, das bis zu 2.500 Teilnehmer versorgen konnte. In diesem Fall wäre die Stadt Wiesbaden mit ihrem Betrag von 15.000 € nicht hingekommen, diese Installation war sicher teurer.
Muß WLAN sein ?
In der Stadtpolitik ist diese Frage ausdiskutiert, JA, man will ein öffentliches WLAN haben. Offen sind noch, an welchen Orten und in welcher Form man ein solches WLAN haben will. Wie bisher dargestellt gibt es zu den Kosten überzogene Vorstellungen. Also stelle ich zwei Fragen:- Muß das WLAN an diesem Ort sein ?
- Gibt es Alternativen ?
Die erste Frage heißt konkret: Wenn die Installation des WLANs an einem Ort so viel Geld kostet, ist dieses WLAN an diesem Ort notwendig? Was erreicht man damit, wieviele Teilnehmer wird dieses WLAN versorgen?
Und falls man wirklich eine Strasse aufreissen muß, um wegen WLAN ein Kabel zu verlegen, dann sage ich: Lasst es sein!.
Man kann sich natürlich auch fragen, ob es auf Seiten der Technik nicht Möglichkeiten gibt, die vergleichbares leisten, aber wesentlich preisgünstiger sind. Freifunk hat nicht die Möglichkeiten, Kabel in die Erde zu verlegen, bekommt aber die Anbindung ihrer Hotspots auch hin: Freifunk Hotspot in der Hans-Bredow-Strasse. Die grünen Linien auf dieser Karte stellen Richtfunkstrecken dar, über die die Anbindung des Hotspots an das Freifunk-Netz (und damit an das Internet) realisiert wird.
Freifunk
Innerhalb Wiesbadens gibt es eine aktive Gruppe von Freifunk. Diese Gruppe hat u.a. im Auftrag der Stadt Wiesbaden die Flüchtlingsunterkünfte mit WLAN versorgt oder (ohne Auftrag) die Filmnächte in den Reisingeranlagen. Sie können das, sie wissen was geht und wie es geht, also: Gelbe Seiten, vielleicht sollte man sie mal fragen.Fazit
Von 1979 bis 1990 war Margaret Thatcher Premierministerin von Großbritannien. Ihre beständig vorgetragene Vorstellung von Wirtschaftspolitik lautete: Der Staat erledigt eine Aufgabe teuer und schlecht, die Privatindustrie kann das alles besser (Thatcherismus).Lese ich die Argumentation der Stadt Wiesbaden, fällt mir immer nur Frau Thatcher ein. Warum muß die Stadt Wiesbaden zeigen, daß ihre Aussage (vielleicht) doch richtig ist?