Montag, 3. August 2020

Menschen zählen


Wieviele Menschen haben sich auf einem Platz versammelt? Die einfache Lösung ist, über diesen Platz zu gehen und 1, 2, 3, ... und man hat die Anzahl Menschen. Man kann auch einen Blick auf den Platz werfen, vielleicht von einem erhöhten Standpunkt aus, und macht dann eine solche Zählung oder eine Schätzung.

Als Alternative möchte ich hier eine Lösung vorstellen und beschreiben, die diese Aufgabe über Ihre Smartphones angeht. Dabei muß man natürlich beachten, daß Menschen auch ohne Smartphone unterwegs sein können, diese kann ich auf diesem Weg natürlich nicht zählen.


Projekt PaxCounter

Im Internet gibt es das Projekt Paxcounter, das so beschrieben wird:

Wie lang ist die Schlange in der Mensa? Passen noch Leute in den Bus? Zu wissen, wie viele Personen an einer Stelle sind, hat zahlreiche sinnvolle Anwendungen.

Quelle: Paxcounter: Personen zählen mit WLAN-Modul

Ohne den Einsatz von Kameras werden wir abschätzen, wie viele Personen ungefähr zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Ort sind. Unser Pax-Zähler zeigt die Anzahl der Personen in einem Bereich an und kann sie auch über das The Things Network versenden. „Pax“ steht hier für „Personenanzahl“ (englisch persons approximately) und stammt aus dem Luftfahrtjargon.

Quelle: Personen zählen mit WLAN-Sniffer

In mehreren Fällen und an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten habe ich dieses Gerät zählen lassen. Die nachfolgend präsentierten Zahlen stammen aus solchen unterschiedlichen Projekten und können somit nicht in eine Beziehung zueinander gesetzt werden.

Hardware

Für dieses Projekt habe ich diesen kleinen Computer verwendet: Ttgo Esp32 - Paxcounter, den ich für den Preis von ca. 18,50€ erworben habe.

Software

Die entsprechende Software für diesen Computer und diese Aufgabe fand ich hier: cyberman54 / ESP32-Paxcounter. Es gibt sie kostenlos.


Projekt

Und hier ist der Paxcounter im Einsatz:



Zählung

Die Lösung zählt nicht die exakte Zahl der Menschen an einem Platz sondern die Anzahl Smartphones über das WLAN. Menschen ohne Smartphone kann dieses Gerät nicht zählen, auch nicht Menschen mit Smartphone, aber mit ausgeschaltetem WLAN, können nicht gezählt werden. Auch können Datenpakete eines WLANs verloren gehen oder Smartphones ausserhalb der Reichweite des kleinen Geräts sich aufhalten. Somit muß man immer einen gewissen Prozentsatz auf die angezeigte Zahl draufschlagen. Wiesbaden steht nicht gerade an vorderer Stelle in der Begeisterung für Technik, somit gehe ich in dieser Stadt von einem Faktor 2 bis 3 aus, d.h. die vom Paxcounter angezeigte Zahl muß man verdoppeln, mindestens.

Der Paxcounter liefert nur eine Approximation, also einen Näherungswert, aber er liefert diesen Wert beständig und ohne menschliches Zutun.


Technik

Der eingesetzte Computer verwendet WLAN, um Smartphones zu zählen. Auf dem Bild sehen Sie eine Antenne, aber diese hat nichts mit WLAN zu tun. Auf dem kleinen Board findet sich irgendwo die Antenne, über die WLAN-Signale empfangen und danach vom Computer ausgewertet werden.

Das Board empfängt ein WLAN-Signal eines Smartphones, anonymisiert die in diesem Signal enthaltenen Daten und speichert diese Information für maximal eine Minute. Danach wird die Anzahl gespeicherter Datensätze gezählt, weitergegeben und anschließend alle Daten gelöscht. Weiterverarbeitung heißt, dass eine Zahl auf einer SD-Karte notiert wird und außerdem an einen Server gesendet wird zwecks weiterer Auswertung. Nur diese Zahl wird weitergegeben.

Für das Zählen eines Smartphones wird die sog. MAC-Adresse verwendet. Dies ist eine weltweit eindeutige Zahl, die das Smartphone versendet. Sofort nach Empfang dieser Zahl durch den PaxCounter wird diese anonymisiert, mit den bereits vorhandenen (ebenfalls anonymisierten) Zahlen verglichen und gespeichert, sofern diese Zahl unbekannt ist. Am Ende, d.h. nach einer Minute, wird die Anzahl gespeicherter Zahlen ausgegeben und, wie bereits beschrieben, alle gespeicherten Daten gelöscht.


"Großer Bruder"

Ist das jetzt der "Große Bruder"? Ist das die vollkommene Überwachung?

Nein, ist es nicht. Der Datenschutz ist gewährleistet. Die vom Gerät gefundenen Smartphones werden anonymisiert und es werden keine Informationen zu den Smartphones und auch keine Informationen zu Personen gespeichert. Und nach einer Minute wird alles gelöscht. Verwendet wird nur die Summe der gefundenen Smartphones.

Die Software ist Open Source. An der oben angegebenen Adresse erhaltene Sie nur die Sourcen der Software, bauen und somit in eine lauffähige Form verwandeln muß man dies selbst. Und einen Blick in die Software habe ich geworfen und somit geprüft, welche Daten verwendet und insbesondere gespeichert bzw. weitergeleitet werden. Da wird nichts gemauschelt.

Das Gerät kann Daten auf eine SD-Karte schreiben. Hier ein Beispiel für diese Daten aus einem meiner Tests:

date, time, wifi, bluet
00.00.1970,00:01:10,32,0
00.00.1970,00:02:10,20,0
00.00.1970,00:03:10,22,0
00.00.1970,00:04:10,31,0
00.00.1970,00:05:10,37,0
00.00.1970,00:06:10,38,0
00.00.1970,00:07:10,23,0
00.00.1970,00:08:10,33,0
00.00.1970,00:09:10,31,0
00.00.1970,00:10:10,32,0
00.00.1970,00:11:10,18,0
00.00.1970,00:12:10,10,0
.......

In der ersten Zeile sehen Sie eine Art Überschrift oder Spaltenbeschriftung. Gespeichert werden also Datum (date), Uhrzeit (time), Anzahl Smartphones mit eingeschaltetem WLAN (wifi) sowie Bluetooth (bluet), wobei die Zählung der Bluetooth-Geräte von mir ausgeschaltet wurde, d.h. in der letzten Spalte finden Sie immer eine 0. Das Datum steht immer auf 00.00.1970, da kein Uhren-Chip angeschlossen war. Ebenfalls gilt dies für die Uhrzeit, wobei die Uhrzeit im Computer von der Software weitergestellt wird, so daß der Eintrag 00:01:10 in der zweiten Zeile besagt, daß die erste Messung nach 1 Minute und 10 Sekunden auf der SD-Karte notiert wurde. Danach folgt eine 32 (Hervorhebung von mir) und eine 0, d.h. es wurden über das WLAN 32 Smartphones gefunden und Bluetooth wird nicht geprüft.

Sie sehen, es werden keine persönlichen Daten erfasst.

Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit, die Daten an einen Server zu senden, dort zu speichern und auszuwerten. So würde eine Auswertung aussehen:



Anwendungen

Ist dies eine Spinnerei? Eine Spielerei? Oder kann man damit auch ernsthaft etwas machen?

Auf den ersten Blick sieht das aus wie eine Spielerei eines Computer-Nerds. Sofern Ihnen dazu keine Anwendung einfällt, dann, sorry, mangelt es Ihnen an Phantasie für eine Tätigkeit in der IT-Branche.

Ein Beispiel aus Freiburg

In Freiburg hat man den PaxCounter eingesetzt, um den Besucherandrang an einzelnen Stellen zu erfassen und möglicherweise zu steuern:

„Wie können die touristischen Besucher Freiburgs „smart“ gelenkt werden, um Warteschlangen und überfüllte Plätze, Straßenbahnen etc. zu vermeiden?“ und „Wie können Besucherströme in den Städten permanent erfasst, automatisiert ausgewertet und graphisch aufbereitet werden“. Eigentlich zwei Dinge, bei denen man sofort an den PaxCounter denkt.

Quelle: Wohin solls gehen? Menschen lenken mit dem Paxcounter

In diesem Projekt wurden 5 dieser Geräte verwendet, die an unterschiedlichen Stellen in Freiburg angebracht wurden. Diese Geräte haben dann ihre gemessenen Daten an einen zentralen Server gesendet, der die Daten aufbereitete und auf einer Internet-Seite präsentierte. Somit konnten Besucher in Freiburg via Internet abfragen, welche Attraktion gerade wie stark besucht ist oder wo eher nix los ist.


Fazit

Machen kann man vieles. Menschen mit entsprechenden Fähigkeiten gibt es etliche, auch in Wiesbaden. Aber in Wiesbaden kann man so etwas nicht machen, dafür gibt es in der Stadtpolitik zuviele Bedenkenträger. Ein Beispiel: An einem Ort wollte ich dieses kleine Gerät laufen lassen. Unvorsichtigerweise habe ich vorher den Verantwortlichen für diese Veranstaltung darüber informiert und um seine Zustimmung gebeten. Also dafür benötige ich ja mal die Zustimmung des Oberbürgermeisters dieser Stadt, mindestens .....Ich habe es dann gelassen.

Bei allen durchgeführten Test habe ich niemanden informiert oder gar um Erlaubnis gebeten.