Wir berechnen das Klima im Jahre 2100. Dazu werden im Computer Modelle gebaut, jede Menge Daten erhoben (aktuelle und historische), Software geschrieben, und diese Software läuft dann in großen und teuren Computern, um aus den Daten eine Vorhersage für das Jahr 2100 zu berechnen. Von den Ergebnissen haben Sie sicherlich schon einmal gelesen.
Aber wie sieht das auf kleinerer Ebene aus? Bleiben wir doch in Wiesbaden und betrachten auch nicht, was in 80 Jahren sein wird, denn nur wenige unter den Lesern dieses Textes werden das Jahr 2100 erleben. Aber Veränderungen in der Stadt Wiesbaden erleben wir. Und mein Eindruck ist, daß wir viele solcher Veränderungen erleben.
Die Stadtpolitik greift in den Straßenverkehr ein, das hat sie schon immer gemacht. Hier wird eine Straße neu gebaut (z.B. im Baugebiet Erbenheim Süd) oder eine bestehende Straße ausgebaut (z.B. Boelckestraße), dort wird eine Einbahnstraßenregelung eingeführt, eine Radspur ausgewiesen, eine Fahrspur für Autos entfernt (z.B. erster Ring). An einer Pförtnerampel haben Sie vermutlich auch schon mit Ihrem Auto gestanden und die nicht mehr vorhandene Abbiegemöglichkeiten am Landeshaus vom ersten Ring in Richtung Biebrich kennen Sie vermutlich auch.
Das waren nur einige Beispiele, es gibt viele Veränderungen im Straßenverkehr in Wiesbaden. Wird eigentlich vorher überlegt, welche Veränderungen solche Eingriffe bewirken? Wird überlegt, wer belastet und wer entlastet wird?
Simulation
Wir leben in einer Zeit, die sehr von Computern (Hard- und Software) geprägt wird. Vieles wird berechnet, gesteuert, überwacht, ausprobiert (=simuliert). Werden solche Geräte auch zum Thema Straßenverkehr eingesetzt? Setzt die Stadt Wiesbaden solche Geräte ein, um die Auswirkungen ihrer Eingriffe in den Straßenverkehr zu simulieren, bevor die Eingriffe vorgenommen werden? Gibt es ein Computer-Modell des Straßenverkehrs in der Stadt Wiesbaden?In einem solchen Modell, in einer solchen Simulation sollten alle Straßen in Wiesbaden enthalten sein, alle Ampeln, alle Abbiegemöglichkeiten usw. Und natürlich sollte man wissen, zu welcher Uhrzeit welche Belastung auf diese Straßen zukommt, sprich: wieviele Fahrzeuge zu jeder Uhrzeit fahren. Damit hätte man ein Modell des Straßenverkehrs der Stadt Wiesbaden, in das man eingreifen kann, also als Simulation. Man könnte z.B. im Computer eine Straße sperren und in der Simulation durchrechnen lassen, wie sich der Verkehr nach diesem Eingriff entwickelt. Man könnte sich im Computermodell ansehen, wie sich eine geplante Änderungen auswirkt und danach überlegen, ob man diese Änderung vornimmt.
Zukunftsmusik?
In Ihren Ohren klingt dies nach Zukunftsmusik? Ich muß sie enttäuschen, das geht schon lange so. Nur für die Stadt Wiesbaden mag dies Zukunftsmusik sein.Vor etwa 40 Jahren war ich in solch einem Projekt und habe dort entsprechende Software geschrieben. Auf der Basis erhobener Zahlen zum Straßenverkehr wurde für eine Stadt ein Modell entwickelt und dieses im Computer durchgerechnet. Was passiert eigentlich, wenn man eine Straße zur Einbahnstraße erklärt? Die Simulation liefert eine Antwort. Und wenn ich die gleiche Straße nehme und sie in eine Einbahnstraße umwandle, aber in entgegengesetzter Richtung? Auch hier liefert die Simulation eine Antwort.
Das alles war möglich um das Jahr 1980 herum, das genaue Jahr weiß ich jetzt nicht mehr. Der Computer von damals (Prime P250) war ein Schrank für den Preis von irgendetwas zwischen 100.000 und 200.000 DM. Die genauen Daten kenne ich nicht mehr, aber die Plattenkapazität dieses Computers betrug 64 Megabyte (bitte beachten Sie: Megabyte, nicht Gigabyte wie Ihr Handy). Jeder heute bei einem Discounter angebotene PC hat eine höhere Rechenleistung. Und einen Massenspeicher von 64 Megabyte kann man heute fast nicht mehr herstellen, heute reden wir vom mindestens 1.000-fachen Speicherplatz, eher sogar vom 16.000-fachen.
Was vor 40 Jahren ging, sollte heute auch gehen, und sogar viel besser. Aber setzt die Stadt Wiesbaden so etwas ein? Besitzt die Stadt Wiesbaden solch eine Simulationssoftware?
Vor einigen Wochen gab es eine Diskussion über Probleme des Straßenverkehrs. In dieser Diskussion habe ich diesen Punkt vorgebracht und erhielt als Antwort, daß man ja DigiV habe, ausbaue und auch einsetzen werde. Sorry, aber das ist genau die falsche Antwort. DigiV ist ein System zur Steuerung des vorhandenen Verkehrs, mein Argument zielt auf die Zeit vor der Entscheidung.
Probiert man in Wiesbaden einfach mal etwas in der Praxis aus und schaut dann, welche Auswirkungen solch ein Eingriff hat? Wird schon schiefgehen, was kann schon passieren. Dies ist ja nur eine Operation am offenen Herzen.