Mittwoch, 16. Januar 2019

Nicht das Erreichte zählt


Die Sache mit dem Internet ist schwierig, zumindest in Deutschland. Andere Länder haben in dieser Frage weniger Schwierigkeiten, aber insbesondere unsere Politiker haben große Probleme damit. Das hindert sie aber nicht daran, große Ankündigungen zu machen und uns eine schöne Zukunft zu versprechen. Ein Beispiel dafür:

Das Thema Breitband-Internet beschäftigt Angela Merkel (CDU) schon seit einiger Zeit. Beim sogenannten IT-Gipfel im November 2008 hatte die Kanzlerin schon von ihren ehrgeizigen Plänen für den Ausbau des Breitbandnetzes in Deutschland gesprochen, nun, zwei Tage vor Eröffnung der IT-Messe Cebit, wurde sie in ihrer wöchentlichen Videobotschaft konkreter: Breitband für alle bis 2010, auch unter Ausnutzung freiwerdender Fernsehfrequenzen: "98 Prozent der Haushalte haben bereits die Möglichkeit, einen Breitbandanschluss mit einer Übertragungsrate von mindestens einem Megabit pro Sekunde zu bekommen. Das allerdings reicht uns noch nicht."

Quelle: Merkel verspricht High-Speed-Internet für Millionen Deutsche vom 28.02.2009. Hervorhebung von mir.

Auch der Stern berichtete darüber: Merkel will schnelles Internet für alle, ebenfalls am 28. Februar 2009.

Wir schreiben heute das Jahr 2019. Und auch heute gibt es hier in Wiesbaden noch Haushalte, die keine 1 Million Bits pro Sekunde als Geschwindigkeit der Internetanbindung haben, zumindest nicht stabil. Und laut der zitierten Aussage von Frau Merkel soll dies doch bereits im Jahre 2009 bei 98% aller Haushalte in Deutschland möglich gewesen sein, also bereits vor 10 Jahren.

Und da diese Anbindung laut Frau Merkel nicht ausreichend sei, wolle man sich ein ehrgeiziges Ziel setzen:

Der nächste Schritt, den Merkel ankündigte, ist weitaus ehrgeiziger: High-Speed-Anschlüsse für 75 Prozent der Haushalte bis 2014. Wo derzeit ein bis sechs Megabit pro Sekunde durch die Leitungen rieseln, sollen bis dahin 50-Megabit-Ströme rauschen, und zwar "mindestens", so Merkel.

Quelle: Merkel verspricht High-Speed-Internet für Millionen Deutsche vom 28.02.2009

Als Begründung führte Frau Merkel diese Argumente an:

Nur ein vollständig vernetztes Deutschland könne gestärkt aus der derzeitigen Krise hervorgehen, sagte die Kanzlerin sinngemäß: "Was früher ein Elektrizitätsanschluss oder ein Wasser- oder Abwasseranschluss war, das wird in Zukunft auch ein Breitbandanschluss sein." Sie sei der Meinung, dass "die Zukunft der ländlichen Räume ganz wesentlich davon abhängt, dass die technischen Möglichkeiten dort dieselben sind wie in den städtischen Gebieten".

Quelle: Merkel verspricht High-Speed-Internet für Millionen Deutsche vom 28.02.2009

Und wie das so ist mit Plänen, das macht ja nichts, wenn man das Ziel nicht erreicht. Ende 2014 hatten eben nicht 75% aller Haushalte einen Anschluß mit 50 MBit/s (oder mehr). Also macht man einen neuen Plan und die beste Zusammenstellung aller Ankündigungen fand ich hier:

  • 2009 versprach Angela Merkel in ihrem Video-Cast "flächendeckendes Breitband für alle bis 2010". Es wurde 2010 wieder einkassiert.
  • 2010 versprach Angela Merkel, dass 75 Prozent der Haushalte bis 2014 über "mindestens 50 Megabit" verfügen sollten.
  • 2011 versprach der damalige FDP-Wirtschaftsminister, 50 MBit/s würden bis 2018 "flächendeckend verfügbar sein".
  • 2012 versprach das Wirtschaftsministerium erneut noch etwas mehr, nämlich dass mithilfe der "Kräfte des Markts" bis 2018 "wirklich jeder mindestens 50 MBit/s bekommen kann".
  • 2013 versprach die Bundesregierung wiederum, dass 75 Prozent der Haushalte bis 2014 über 50 MBit/s verfügen sollten und dass der "Breitbandausbau zügig vorangeht". 2014 kam und ging.
  • 2014 downgradete Angela Merkel ihr Versprechen von 50 MBit/s bis 2018 zum frommen Wunsch: "Ich hoffe, dass wir das auch wirklich erreichen." Gleichzeitig versprach sie terminlos "viel größere Bandbreiten", und zwar für "jeden Haushalt".
  • 2015 versprach die Bundesregierung in ihrer "Digitalen Agenda" wiederum eine "flächendeckende Breitbandinfrastruktur mit einer Downloadgeschwindigkeit von 50 MBit/s bis 2018". 2016 musste sie zugeben, das Ziel nicht mehr erreichen zu können.
  • 2016 versprach die Bundesregierung, "spätestens 2025 mit Gigabitnetzen die beste digitale Infrastruktur der Welt".
  • 2017 versprach die Bundesregierung die Zielsetzung auf "mittel- bis langfristig gigabitfähige Netze" und erklärte zugleich: "Das bisher Erreichte kann sich sehen lassen." Oho!

Quelle: Warum ist das Internet in Deutschland so langsam?

Und nun haben wir 2019 und dürfen feststellen:

Kanzlerin Angela Merkel hatte es versprochen: Ende 2018 surfen wir alle flott im Internet. Das Ziel verpasst die Bundesregierung klar – und Experten stellen schon jetzt die neuen Pläne aus Berlin in Frage.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Regierungstruppe hatten in der vergangenen Legislaturperiode noch bis zum Jahresende 2018 eine schnelle Internetverbindung für jeden Haushalt im Land versprochen. Jeder Einwohner sollte mit einer Geschwindigkeit von 50 Megabit in der Sekunde durch das Internet surfen können. Das halten viele nicht gerade für die Überholspur im digitalen Datenverkehr. Und doch wird die Regierung selbst dieses Minimalziel bis zum Jahresende nicht erreichen. Merkel und ihre Minister holt damit der Geist des schnellen Internets ein, den sie selbst gerufen haben.

Quelle: Schnelles Netz? Ziel verfehlt! (leider hinter einer Bezahlschranke)

Und da wir auch dieses Planziel nicht erreicht haben, machen wir halt einen neuen Plan. Diesmal soll es bis 2025 möglich sein, was wir in den vergangenen 10 Jahren nicht geschafft haben, nämlich schnelles Internet. Und da wir uns im Jahre 2025 mit 1 MBit/s lächerlich machen würden, auch mit 50 MBit/s ernten wir bereits heute im europäischen Vergleich nur ein müdes Lächeln, also muß es im Jahre 2025 etwas besseres sein: 1 Milliarde Bits pro Sekunde (Gigabit), so lautet der Plan.

Bitte schauen Sie sich die Liste der Ankündigungen der Vergangenheit an und überlegen Sie sich, ob Sie unserer Regierung und insbesondere Frau Merkel dieses Versprechen abnehmen.


Fazit

Nicht das Erreichte zählt, das Erzählte reicht.


Aktuelles Beispiel

Vielleicht haben Sie auf meinem Blog diesen Text gelesen: Diesel-Verbot an Silvester !?. Darin finden Sie 3 Filme, zwei zeigen die Belastungen der Luft über einen Zeitraum von 24 Stunden an, einer für Deutschland und der zweite Film für Wiesbaden. Die Filme beruhen auf den Daten des Projekts Luftdaten selber messen aus Stuttgart. Nun war es ein bissel Arbeit, diese Filme von jeweils ca. 1 Minute Dauer zu erstellen, denn von der Karte dieses Projekts wurde jeweils einmal pro Minute ein Bildschirmphoto (Hardcopy) gemacht und diese ca. 1500 Bilder wurden dann zu einem Film zusammengestellt. Dabei traten Probleme auf, die fast das Projekt scheitern ließen. Natürlich waren dies Probleme mit der Internetanbindung des Rechners, auf dem die entsprechende Software lief. Zwar ist dieser PC mit 400 MBit/s angebunden, aber es gab trotzdem Probleme. So sahen einige der Fehlermeldungen aus:

Fehlermeldungen während der Aufnahme
Deutschland Wiesbaden

Die Filme entstanden, in dem nach jeweils 60 Sekunden eine Aufnahme einer Bildschirmseite gemacht wurde. Das erste Bild stammt aus dem Film über Deutschland. Es beschreibt, daß es innerhalb dieser 60 Sekunden nicht möglich war, die angeforderten Daten von der Seite zu erhalten (normalerweise dauert dies nicht mal eine Sekunde). Das zweite Bild stammt aus dem Film über Wiesbaden. Es zeigt, daß die Anforderung der Daten nicht möglich ist, weil die Umsetzung der Textform der Seiten-Adresse (= frankfurt.luftdaten.info) in die Internet-interne Darstellung (=89.107.187.146) nicht möglich war, da der dafür benötigte Server nicht zur Verfügung stand oder nicht antwortete.

Im Rahmen dieses Projekts häuften sich die Probleme mit der Internet-Anbindung. Die meisten Probleme traten auf zwischen 0:15 und 0:26 beim Film über Deutschland und zwischen 0:07 und 0:25 beim Film über Wiesbaden. Und dies war eigentlich die Zeit, die ich Ihnen zeigen wollte.

Naja, so ist das halt in Neuland: