Computer (und Netzwerke) sind die Nervenstränge einer modernen Gesellschaft. Und so wie Menschen an den Nerven erkranken können (Stichworte: MS, ALS, usw.), so leiden heutige Gesellschaften, wenn Computersysteme beeinträchtigt werden oder gar ausfallen.
Am Dienstag, den 11. Februar, war Safer Internet Day (und der Tag des Notrufs 112). Mit diesem Tag für mehr Internetsicherheit sollte dieses Thema in den Vordergrund gerückt werden, wovon ich allerdings nicht viel bemerkt habe. Immerhin hatte sich einige Tage vorher die Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel zu diesem Thema in der Form eines Podcasts geäussert:
Diesen Podcast können Sie auch als PDF-Datei holen und darin die Stellungnahme lesen: Transkript Podcast „Safer Internet Day“ 07.02.2020.
Aus diesem Podcast möchte ich einige Sätze zitieren:
Am kommenden Dienstag ist der Safer Internet Day, ein Aktionstag der Europäischen Union. Es geht dabei um die Datensicherheit. Dieses Thema ist für die Bürgerinnen und Bürger, aber natürlich auch für die Wirtschaft, aktueller denn je.
Zitate ohne Quellenangabe in diesem Text beziehen sich immer auf diesen Podcast. In allen anderen Fällen gebe ich die Quelle an.
Anmerkungen zum Podcast
Schon in der Einleitung zu ihrem Vortrag findet sich ein grundlegender Fehler: Die Sicherheit des Internets ist etwas anderes als Datensicherheit.Und so geht es weiter:
Die Grundlage für die Sicherheit im Internet ist die europäische Regelung, die sogenannte Datenschutzgrundverordnung.
Nein, die DSGVO ist nicht die Grundlage der Sicherheit des Internets. Sie kann nicht die Grundlage der Sicherheit des Internets sein, denn, so sagt man, sind es häufig russische, chinesische oder nord-koreanische Hacker, die unsere Computer angreifen. Und ob diese Personen deutsche Gesetze überhaupt lesen können bzw. lesen wollen, das wage ich doch zu bezweifeln. Beachten wollen sie diese Gesetze sicher nicht. Und die DSGVO beeinträchtigt sicher nicht diese Hacker in ihrer Arbeit.
An einigen Beispielen möchte ich die Bedeutung der Sicherheit des Internets verdeutlichen:
Wasserversorgung
Die Aufbereitung von Wasser und die Versorgung der einzelnen Bürger wird von Computern überwacht bzw. per Computer gesteuert. Diese Computer werden per Internet mit der Zentrale verbunden, wo die Überwachung der Anlage erfolgt. Die Steuerung der Wasserversorgung hängt von Computern und Netzwerken ab.Stromversorgung
Ähnlich gilt dies auch für die Erzeugung und Verteilung elektrischen Stroms.Strassenverkehr
Ampeln werden per Computer zusammengeschaltet. Ein Lagezentrum hat den Überblick über den Verkehr auf den Strassen. Ohne Computer und Netzwerke geht das nicht.Produktion
Computer überwachen Roboter und sonstige Maschinen, melden Fehler und berichten über Materialverbrauch, Qualität der erzeugten Produkte usw. Dafür werden viele Computer eingesetzt, die natürlich vernetzt sein müssen.Botnetz
Vielleicht waren Sie auch betroffen, als im November 2016 reihenweise Telefon- und Internetanschlüsse der Deutschen Telekom ausfielen.Seit Sonntagmorgen verzeichnet der Bonner Telekommunikations-Konzern bundesweit Probleme bei seinen DSL-Anschlüssen. Mehr als 900.000 der etwa 20 Millionen Festnetz-Kunden sind betroffen, teilweise können sie ihren kompletten Anschluss nicht mehr nutzen. Wer bei der Telekom eines der Magenta-Komplettangebote gebucht hat, konnte daher teils weder telefonieren noch im Internet surfen noch fernsehen....
Quelle: Hacker-Attacke: Telekom-Router sollten Teil von weltweitem Botnetz werden vom 28.11.2016
Es dauerte Tage, bis diese Systeme wieder funktionierten.
Aktion der "Guten"
Es sind nicht immer die "bösen" Hacker, die Computersysteme angreifen. Westliche Geheimdienste attackierten die iranischen Aktivitäten im Bereich Atomenergie: Stuxnet. Dazu wurde eine Art Computer-Virus eingeschleusst, der dann die entsprechenden Steuerungscomputer für die Zentrifugen im Anreicherungsprogramm infizierte. Diese so infizierten Steuerungscomputer gaben dann falsche Anweisungen an die Zentrifugen und zerstörten sie vermutlich dadurch, wobei die Software gleichzeitig an den Leitstand "vernünftige" Werte weitergab.Aber das war ja eine Aktion der "Guten".
Weitere Beispiele finden Sie hier:
- Netzkriminalität Die Telekom registriert bis zu 46 Millionen Cyberangriffe pro Tag vom 24.5.2019
- Volkswagen muss täglich 6000 Cyber-Attacken abwehren vom 6.9.2016
- Bundesregierung unter Dauerfeuer: Cyberabwehr blockt 1600 Hacker-Attacken – pro Tag vom 30. 1.2020
- Hackerangriffe auf den Deutschen Bundestag im Jahre 2015
- Gießen ist off vor wenigen Wochen
- Seit einigen Wochen filter die Stadt Wiesbaden eingehende Mails. Dabei werden Dateianhänge im Format Word bzw. Excel komplett entfernt (alte Formate) oder die Makros aus den Anhängen entfernt (neuere Formate). Der Grund dieser Aktion ist die Angst vor Emotet und weiteren Schädlingen (siehe Uni Gießen).
- usw.
"Sicheres-Internet-Gesetz"
Wir haben in Deutschland ein sogenanntes IT-Sicherheitsgesetz, das wir jetzt auch weiterentwickeln wollen...
Das heißt, aus dem IT-Sicherheitsgesetz von 2015 wird das IT-Sicherheitsgesetz 2.0.
Wir haben jetzt ein Gesetz, das wir weiterentwickeln wollen zur Version 2.0. Dann wird ja alles gut werden.
Berührungspunkte
Natürlich gibt es Berührungspunkte zwischen Sicherheit im Internet und Datensicherheit. Ein schlecht gesichertes Computersystem erlaubt es einem Fremden (= Hacker), in dieses System einzudringen und dort gespeicherte Daten abzugreifen. Einen solchen Vorfall nennt man gerne Datenreichtum".Auf ein schlecht gesichertes System hatte ich in diesem Blog auch schon einmal hingewiesen: TLS (vom 2. 1. 2017).
Datensicherheit setzt gesicherte Computersysteme voraus, Sicherheit im Internet bedeutet aber mehr als nur das Verhindern des Zugriffs Unbefugter auf Daten.
Hass
Und natürlich darf heutzutage ein Hinweis auf Hass nicht fehlen:Das Thema Hass und Gewalt und auch extremistische Parolen im Internet ist ein Riesenthema – leider –
...
Deshalb haben wir im Oktober des letzten Jahres ein Maßnahmenpaket für den Kampf gegen Rechtsextremismus und Hass und Gewalt im Internet aufgelegt.
Entschuldigung, aber dies ist ein komplett anderes Thema. Hass und Gewalt hat nichts mit der Sicherheit des Internets zu tun.
Bewertung
Unsere Bundeskanzlerin hat etwas zum Thema Internet gesagt, auch wenn der Inhalt ihrer Ansprache am Thema vorbeiging.Nun wird das Thema Digitalisierung auch in dieser Bundesregierung behandelt, wenn auch von allen denkbaren Stellen:
- Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
- Staatsministerin für Digitalisierung
- Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
- Digitalkabinett, IT-Rat und IT-Planungsrat, Digitalrat und Datenethikkommission
- Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
- usw.
Und bei der Vielzahl beteiligter Stellen darf man nicht erwarten, daß inhaltlich sinnvolles herauskommt. Die meiste Zeit dürften die beteiligten Stellen mit Abstimmungen beschäftigt sein.
In manchen Unternehmen wird es (angeblich) heute so gemacht:
Am Wochenende setzt sich Bosch-Chef Volkmar Denner hin und wieder an den Rechner seines Sohnes und programmiert neuronale Netze. Spielerisch beschäftigt sich der Chef des weltgrößten Automobilzulieferers auf diese Weise mit künstlicher Intelligenz (KI) – und will seinen Mitarbeitern damit ein Vorbild sein.
Quelle: Wo Tesla den Deutschen meilenweit enteilt ist vom 10.2.2020
Vielleicht sollte sich Frau Merkel auch gelegentlich an den Computer setzen. Und sei es nur, um Solitär zu spielen.