Mittwoch, 13. Mai 2020

Sind Viren christlich?


Eine sicherlich verblüffende Frage. Aber warum "arbeiten" diese Corona-Viren nicht an einem Sonntag? Und sie "arbeiteten" auch nicht an Ostern. Warum? Kennen Viren eine Sonntagsruhe?

Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen, aber in der heute-Sendung im ZDF wurden die Zahlen zu Neuinfektionen immer auf Tagesbasis gemeldet, also die Zahl der neuinfizierten Personen für den letzten Tag. Seit einigen Tagen wird diese Zahl zwar weiterhin vermeldet, aber die Berechnungsgrundlage hat sich geändert. Jetzt redet man immer von der durchschnittlichen Zahl der Neuinfektionen, und dieser Durchschnitt wird gerechnet über die letzten 7 Tage. D.h. man nimmt die Zahlen der Neuinfektionen der letzten 7 Tage, addiert diese Zahlen auf und dividiert das Ergebnis durch 7. Diese Zahl wird dann in der heute-Sendung präsentiert als (durchschnittliche) Zahl der Neuinfektionen.

Nein, ich will Ihnen keine Verschwörungstheorie präsentieren. Ich halte diese Darstellung als Durchschnittswert für vernünftig. Und der Grund für diese Durchschnittsbildung ist folgender:


Sie finden diese Information her: Robert Koch-Institut: COVID-19-Dashboard.

Mit Pfeilen habe ich Ihnen die Sonntage markiert. Sie erkennen daran, daß die Zahl der Neuinfizierten über das Wochenende abnimmt, um dann ab Dienstag wieder zu steigen. Und dieser Effekt verschwindet, wenn man den Durchnittswert über 7 Tage bildet. Diesen Durchschnittswert kann man vernünftig vergleichen und man wird nicht durch Sondereffekte (z.B. Sonntage) in die Irre geleitet.

Aber ich will keine Beurteilung des Coronavirus schreiben, sondern über IT. Und über die Durchschnittsbildung verschwindet ein Effekt, den ich hier darstellen möchte.


Digitalisierung

Die Forderung nach Digitalisierung ist momentan in. In den Zeiten dieses Virus, der Kontaktbeschränkung und des Home-Office erkennen wir die Bedeutung des Internets, endlich. Aber irgendwie noch nicht so richtig. Und das will ich an der Frage aus der Überschrift einmal darstellen.


"christliche Logistikfunktion"

In Berlin hat der Informatiker Pavel Mayer sich die Zahlen zum Corona-Virus angesehen und ebenfalls Berechnungen dazu angestellt. Hier ein Beispiel seiner Berechnung:


Sie finden seine Darstellung hier: Pavel Mayer auf Twitter.

Pavel Mayer hat aufwändige Berechnung zur Corona-Pandemie durchgeführt, aufwändigere als die, die ich bisher hier präsentiert habe. Im Rahmen seiner Berechnungen hat er über die offiziellen Daten Sinuskurven gelegt und dabei die Schwankungen in den offiziellen Zahlen aufgezeigt. Sie finden seine Beiträge hier: Pavel Mayer auf Twitter.

Das Auf und Ab der Kurve besagt, daß an bestimmten Tagen niedrigere Werte als an anderen Tagen berichtet werden. Insbesondere an Wochenenden ist die Zahl der Neuinfektionen geringer als ab Mitte einer Woche. Und insbesondere über Ostern war die Zahl der Neuinfektionen sehr gering.

Habe den Verdacht, dass die das bisher gar nicht bemerkt haben, das es einen Rhythmus in den Daten gibt.

Quelle: Pavel Mayer auf Twitter

In einem Bericht schreibt das Robert Koch Institut dazu:

Zwischen der Meldung durch die Ärzte und Labore an das Gesundheitsamt und der Übermittlung der Fälle an die zuständigen Landesbehörden und das RKI können einige Tage vergehen (Übermittlungsverzug).

Quelle: Situationsbericht des Robert Koch-Instituts vom 27.3.2020 zu COVID-19. Das Zitat finden Sie auf der Seite 4.

Pavel Mayer dazu:

Die resultierende Funktion ist eine Art "christliche Logistikfunktion", die berücksichtigt, dass alle sieben Tage Sonntag bzw. Wochenende ist. Könnte es jetzt vielleicht doch so sein, dass sich tatsächlich das Virus am Wochenende anders ausbreitet als in der Woche?

Quelle: Pavel Mayer auf Twitter


Status

Heute müssen Entscheidungen getroffen werden: Lockdown? Maskenpflicht? Quarantäne? Tests? Shutdown? Keine Einschränkungen (siehe Schweden)? Fußball? Weinfest? Oktoberfest? Kontaktverbot?

Uns fehlt das Wissen. Die Forschung zum Thema dieses Virus kann uns keine gesicherten Erkenntnisse zum Virus liefern, denn sonst hätten wir vermutlich einen Impfstoff. Darüber hinaus fehlt uns das Wissen, wie wir als Gesellschaft mit diesem Virus umgehen können bzw. sollen. Und uns fehlen so elementare Aussagen wie die Zahl der Erkrankten. Diese Zahl muß korrekt erfasst werden, denn sonst bewegen wir uns im Blindflug. Und sie muß zeitnah vorliegen, also nicht mit einem Übermittlungsverzug von mehreren Tagen, den auch niemand genau angeben kann.

Lassen Sie mich dieses Wort 'Übemittlungsverzug' einmal verdeutlichen.


Navigation

Sie sind sicherlich schon einmal beim Autofahren von einem Navigationsgerät geleitet worden, so im Sinne von "in 100m rechts abbiegen". Dazu haben Sie ein spezielles Navigationsgerät oder Sie benutzen Ihr Smartphone mit der entsprechenden App dafür. Eine schöne Sache.

Navis beruhen auf der Genauigkeit der Ansage und benötigen dazu Ihre aktuelle Position, was sie auch meist auf 3 - 5m genau liefern können. Und sie benötigen diese Information zeitnah, d.h. es nützt Ihnen nichts, wenn dieses Gerät zur Bestimmung Ihrer Position so vielleicht eine Stunde benötigt. Was wäre wenn diese Information veraltet wäre, also Ihre Position vor einer Stunde die Basis für die Bestimmung des richtigen Weges wäre? Dann würde die Ansage des Gerätes lauten: "vor einer Stunde hätten Sie an der Kreuzung in 100m rechts abbiegen müssen".

Im Falle der Daten zur Corona-Pandemie ist es sogar noch schlimmer. Wenn wir die Daten mit einer Verzögerung von einer Stunde bekommen würden, dann könnten wir uns glücklich preisen. Wir reden hier von einer Verzögerung von mehreren Tagen, wobei wir diese Verzögerung natürlich auch nicht präzise angeben können. Manchmal beträgt die Verzögerung 3 Tage, manchmal einen Tag, es soll sogar schon Verzögerungen von fast 14 Tagen gegeben haben.

Auf der Basis dieser Daten arbeitet unsere Politik und trifft Entscheidungen, die massiv in unser Leben eingreifen. Einer der Gründe für diese unsichere Datenlage ist der Stand der Digitalisierung.

Ich will an einem Beispiel darstellen, wie in anderen Fällen solche Dinge angegangen und gelöst werden.


Konzerne

Stellen Sie sich bitte einen Konzern vor, der mehrere Hundert Niederlassungen in Deutschland hat. Dieser Konzern ist in der Lage, gegen Abend die Verkaufszahlen des jeweiligen Tages jeder einzelnen Filiale abzurufen. Wie die Zahlungseingänge sind, welche Produkte verkauft wurden, welche nachgefragt wurden, welche Ersatzteile benötigt werden, wie hoch der Lagerbestand davon ist, ob und wieviele davon nachgeliefert werden müssen usw. Das alles kann man heute machen und die Konzerne machen dies auch, täglich. Der Grund dafür ist, daß man auf der Basis dieser Informationen Entwicklungen erkennen will, auch Fehlentwicklungen, damit man steuern bzw. gegensteuern kann. Und das alles frühzeitig und nicht erst nach einem Verzug von XX Tagen.


Politik

Im Zusammenhang mit Corona haben wir große Wissenslücken. Wir erkennen die Realität nicht, u.a. weil unsere Daten nicht zuverlässig sind. Und sie sind nicht zuverlässig, weil die Technik der Datenerhebung, -sammlung und -auswertung von vorgestern ist. Und das ist unsere Politik.


Angenommen

Mal angenommen, wir nehmen die Einschränkungen zurück und dann bricht Corona wieder aus, in irgendeinem einzelnen Ort. Müsste man dann nicht sofort reagieren? Dann könnte man kleinteilig vorgehen, also einen einzelnen Ort unter Quarantäne stellen oder vielleicht sogar nur einige wenige Personen.

In Deutschland würden wir das erst nach ca. 14 Tagen mitbekommen, weil wir die Daten nicht eher bekommen. Und in diesen 14 Tagen haben die infizierten Menschen möglicherweise weitere Personen angesteckt und somit unbewusst das Virus weiterverbreitet. Wir bekommen dies nicht mit und müssen somit grossflächig handeln.


FAX-Gerät

In einem alten Text Es lebe das FAX-Gerät) hatte ich dargestellt, wie die Meldung von den Gesundheitsämtern an das Robert Koch Institut erfolgt, nämlich per FAX-Gerät. Und ich hatte an zwei Beispielen dargestellt, wie man so etwas vernünftiger machen kann. Das erste Beispiel war eine Banküberweisung, bei der kein Blatt Papier ausgetauscht wurde und kein FAX-Gerät benötigt wurde. Das zweite Beispiel war eine Bestellung bei einem ausländischen Anbieter inkl. Bezahlung, die innerhalb von 2 Minuten abgewickelt wurde (nach Klicken des Buttons "Bestellung abschließen" dauert es noch ca. 2 Minuten mit weiteren Eingaben, bis alles abgeschlossen war).

Ich will dies an einem weiteren Beispiel verdeutlichen.


Projekt

In den Jahren 2001/2002 war ich in einem Projekt tätig, das liegt also auch schon eine gewisse Zeit zurück. Ein Teil der in diesem Projekt entwickelten Anwendung bestand darin, daß Fahrtwünsche vom Ort X nach einem Ort Y an einen zentralen Computer (=Server) gesandt wurden, der für die gewünschte Zeit diverse Verbindungen von X nach Y heraussuchte und an den anfragenden Computer zurücksandte, und das alles innerhalb weniger Sekunden. Und da von vielen Stellen in Deutschland aus auf diese Informationen zugegriffen werden konnte, konnten da auch viele Anfragen gleichzeitig hereinkommen, die alle beantwortet werden mussten.

Das ging damals, und das war vor fast 20 Jahren. Und es war auch damals schon nichts revolutionär Neues, es war damals bereits Stand der Technik. Aber unsere Politik baut heute auf das FAX-Gerät.


Digitalisierung

Digitalisierung ist eben nicht Glasfaser verlegen, Schulen mit Computern auszustatten und den Umgang mit Mails bzw. einem entsprechenden Programm zu lernen. Digitalisierung heißt, Prozesse zu automatisieren. Und das nicht nur, um Laufzeiten zu verkürzen, sondern auch, um die Qualität der Daten zu steigern.


Automatisierung

Warum kann man die Daten nicht per Computer von der meldenden Stelle (=Gesundheitsamt) an die Zentrale (=Robert Koch Institut) schicken, und diese dort direkt in die Datenbank schreiben? Dieser Vorgang ist nichts außergewöhnliches, nicht besonders aufwändig, nicht allzu anspruchsvoll. Irgendwo fand ich die Information, daß es in Deutschland etwa 400 Gesundheitsämter gibt. Selbst wenn alle diese 400 Stellen in der gleichen Sekunde eine Meldung durchgeben wollen, so ist dies heutzutage machbar. Vor 20 Jahren ging dies bereits, in unserem Projekt haben wir das gemacht.

Aber die Sache hat einen Haken: diesen Vorgang nennt man Automatisierung. Und dieses Wort hat in bestimmten, vor allem linken Kreisen des politischen Spektrums einen schlechten Klang. Pfui, Automatisierung. Lieber schicken wir irgendwelche Informationen per FAX und leben damit, daß Papiere erstellt, gedruckt, versendet, empfangen, gelesen und zuletzt eine Zahl irgendwo eingetragen werden muß. Dies ist nicht nur schnarch-langsam, dies ist auch fehleranfällig. Und vermutlich haben einige Mitglieder unserer Regierung bzw. der nachgeordneten Behörden gerade einmal Excel gelernt und wollen darauf nicht verzichten. Übrigens: jede Datenbank bietet die Möglichkeit, nicht nur Daten zu speichern, zu berechnen und zu extrahieren, sondern sie auch in einer Form auszugeben, die dann in Excel (oder einem ähnlichen Tool) weiter verarbeitet werden kann.


Fazit

Krisenzeiten legen Schwachstellen offen. Und die Corona-Pandemie zeigt auf, auf welchem Stand unsere Regierung und die untergeordnete Verwaltung ist. Zusammenfassend kann man sagen:

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, und wir zahlen gerade einen hohen Preis für die Versäumnisse.

Quelle: Pavel Mayer auf Twitter

Konstatiere: Unsere über Sorgfalt hinausgehende Behäbigkeit bei der Digitalisierung fällt uns gerade gewaltig auf die Füsse, und auch Open Data und Open Access sind bei uns nicht so verwurzelt, wie es in der Politik oft feierlich beschworen wurde.

Quelle: Pavel Mayer auf Twitter

Noch mal zusammengefasst: Die Corona-Datenerhebung ist noch immer schlecht, und ohne gute Daten wird die Aufhebung von Maßnahmen zum Glücksspiel mit der Gesundheit der Bevölkerung. Bitte macht eure Hausaufgaben, liebe Regierende in Bund und Ländern und sorgt für bessere Daten.

Quelle: Pavel Mayer auf Twitter

In Deutschland spricht man von Digitalisierung, wenn ein FAX-Gerät die Daten über eine Glasfaserleitung überträgt.



Nachtrag

Thought about the license I should publish some of the Corona-data-hacks I'm doing. What about a short one:

"License: Use freely at your own risk."

Quelle: Pavel Mayer auf Twitter

Ein Dankeschön geht an Pavel Mayer für seine Arbeit.