Mittwoch, 10. Februar 2021

abgehakt?


Der Wahlkampf für das Stadtparlament in Wiesbaden hat begonnen. Vielleicht sollten wir zurückblicken auf die jetzt ablaufende Wahlperiode: Welche Forderungen wurden vor der Wahl 2016 gestellt? Was wurde in dieser Wahlperiode erreicht?

Es ist an der Zeit, sich die Wahlprogramme der Kommunalwahl 2016 anzusehen und zu prüfen, an welche Forderungen man einen Haken machen kann.

Die Wahlprogramme der einzelnen Parteien zur Kommunalwahl 2016 hatte ich hier bereits dargestellt: Kommunalwahl in Wiesbaden 2016, wobei ich mich in diesem Text auf IT-Themen beschränkt habe. Und da sich dieser Blog mit IT-Themen beschäftigt, war dies auch naheliegend.

Nach der Wahl bildete sich eine Kooperation zwischen SPD, CDU und Grünen heraus, so daß ich mich in diesem Text auf die Aussagen dieser Parteien beschränken möchte. Eine Opposition hat kaum eine Möglichkeit, Forderungen und Wünsche umzusetzen, deshalb diese Beschränkung.

Welche Forderung wurde realisiert? Welche Forderung wurde begonnen, aber noch nicht fertiggestellt? Welche Forderung wurde vergessen? An welche Forderung können wir somit einen Haken machen? Der für IT-Fragen zuständige Ausschuss des Stadtparlaments ist "Bürgerbeteiligung und Netzpolitik". Welche Fragen aus den Wahlprogrammen wurden dort diskutiert? Welche Beschlüsse wurden dort dazu gefasst?

Also gehe ich 5 Jahre zurück und hole die Wahlprogramme der einzelnen Parteien zur Kommunalwahl 2016 hervor.


Aus den Wahlprogrammen zur Kommunalwahl 2016

Beginnen möchte ich mit einer Auswahl der Forderungen aus den Wahlprogrammen der 3 Parteien der Kooperation im Rathaus, wobei ich die Aussagen auf pointierte Forderungen verkürzen möchte. Die vollständigen Aussagen finden Sie unter dem jeweils angegebenen Link.

CDU

Auszug aus dem Wahlprogramm der CDU zur Kommunalwahl 2016:

Die CDU will endlich ein kostenloses öffentliches WLAN-Netz an zentralen Plätzen der Stadt.

Die verschiedenen Internetangebote und Smartphone-Apps der städtischen Kernverwaltung und der Beteiligungsgesellschaften wollen wir in eine Wiesbaden–App zusammenführen, die sich für alle gängigen Betriebssysteme eignet. Darüber hinaus soll die „Wiesbaden+“-App zu einem Wiesbaden-PORTAL ausgebaut werden, ein zentrales mobiles Informationsangebot in allen Lebenslagen. Hier sollen u.a. Busfahrpläne, Sehenswürdigkeiten, Fahrradrouten und barrierefreie Wege abgerufen werden können und alle digitalen Bürgerdienste inklusive der Mängelmeldung integriert werden.

Die CDU will, dass die Top-Level-Domain „.wiesbaden“ für Wiesbadener Verbände, Vereine, Unternehmen und Institutionen eingeführt wird.

Quelle: Kommunalwahl in Wiesbaden 2016: CDU-Programm

SPD

Auszug aus dem Wahlprogramm der SPD zur Kommunalwahl 2016:

Die Stadt braucht eine digitale Strategie
Deswegen wollen wir uns auch in der Stadtverordnetenversammlung verstärkt dem Thema Digitalisierung annehmen.

Die SPD Wiesbaden setzt sich daher dafür ein, dass alle Schülerinnen und Schüler den Umgang mit der digitalen Gesellschaft lernen.

Die SPD Wiesbaden wird an allen öffentlichen Einrichtungen dieser Stadt (Schulen, Ortsverwaltungen, Stadtbücherei, Ämter mit Besucherverkehr, ....) als auch an größeren Bushaltestellen und mindestens in jedem Ortsteil die Einrichtung eines kostenloses und öffentlich zugängliches WI(esbaden)-LAN Hotspots prüfen und nach und nach umsetzen.

Bei der Entwicklung einer solchen kommunalen Digitalisierungsstrategie auf dem Weg zu einer „Smart City“ wollen wir kompetente Kooperationspartner wie die Hochschule Rhein-Main und innovative Unternehmen unserer Stadt einbinden.

Flächendeckende Breitbandversorgung: Für uns ist die Glasfasertechnologie aktuell die einzige zukunftsfähige Technologie. So streben wir an, zukünftig bei Tiefbauarbeiten die nötigen Glasfaserkabel oder Leerrohre gleich mit zu verlegen.

Quelle: Kommunalwahl in Wiesbaden 2016: SPD-Programm

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auszug aus dem Wahlprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Kommunalwahl 2016:

Als konkrete Maßnahme soll Wiesbaden daher an die Behördennummer 115 angeschlossen werden, da auch die umliegenden Landkreise sowie Frankfurt bereits daran teilnehmen. ... Für den Bürger bringt das den Vorteil, dass er sich nur die Nummer 115 merken muss, um alle verwaltungstechnischen Fragen beantwortet zu bekommen. Ein Anruf auf einzelnen Behörden und evtl. Weiterverbinden entfällt damit.

Die GRÜNEN setzen sich für die Einrichtung von Stadtteilforen ein, die sowohl internetgestützt als auch in Bürgerdiskussionen stattfinden können.

Wir wollen ein Medieninformationszentrum mit Beratungsstelle und Informationen für alle Bürgerinnen und Bürger zu den Themen Medienkompetenz (für Erwachsene, Jugendliche und Kinder), Informationsfreiheit und Datenschutz einrichten.

Außerdem fordern wir eine jährlich zu veröffentlichende Statistik über Art, Empfänger und Häufigkeit der Meldedaten, die vom Bürgerbüro angefordert werden.

Wir GRÜNE unterstützen den Einsatz von quelloffener, freier Software (Free Open Source Software-FOSS).

Wir wollen den Einsatz von FOSS in der Stadtverwaltung und den stadtnahen Gesellschaften stärken. FOSS-Software sollte überall dort zum Einsatz kommen, wo dies möglich und sinnvoll ist.

Immer wieder gibt es Hackerangriffe von außen, vor denen auch die Stadtverwaltung nicht verschont bleibt.

Das städtische Datennetz muss daher bestmöglich gegen Angriffe von außen geschützt werden.

Die Nutzerfreundlichkeit des PIWi muss kontinuierlich weiter entwickelt und verbessert werden.

Mit der Einführung spezieller Laptops für Magistratsmitglieder ist ein erster Schritt zum papierlosen Magistrat erreicht worden. Wir wollen dieses System erweitern und auch den Stadtverordneten zugänglich machen. Insbesondere muss die Möglichkeit zur Erstellung elektronischer Kommentare und eine berechtigte Weitergabe einzelner Dokumente eingerichtet werden.

Quelle: Kommunalwahl in Wiesbaden 2016: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Und ein weiterer Punkt aus dem Programm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

30 Projekte für Wiesbaden
# 14 | Freies Netz für alle

Ohne Internet läuft heute fast nichts mehr. Deswegen wollen wir GRÜNEN im ersten Schritt in öffentlichen Gebäuden wie den städtischen Bürgerhäusern einen kostenfreien Internetzugang einrichten.

Langfristig streben wir ein öffentliches städtisches WLAN nach dem Vorbild anderer Städte in Wiesbaden an.

Quelle: Projekt #14


Bewertung

Was aus diesen Programmpunkten in den einzelnen Wahlprogrammen wurde realisiert?

WLAN

An mehreren Plätzen dieser Stadt gibt es mittlerweile ein WLAN-Angebot der Stadt, was ja auch mehrfach ein Thema auf diesem Blog war. Und dazu kommen noch die Standorte von Unitymedia, die man aber kaum als Erfolg der Stadtpolitik bewerten kann. Und natürlich gibt es Freifunk in Wiesbaden mit über 200 Knoten (siehe: Freifunk in Mainz, Wiesbaden und Umgebung). Ohne diese Knoten, von Freiwilligen betrieben und bezahlt, sähe es in Wiesbaden mau aus.

CDU, SPD und Grüne waren für ein öffentliches WLAN. Da sollte es doch möglich sein, daß man dieses umsetzt. Aber nein, passiert ist fast nichts.

Fazit: machen wir einen winzigen, gerade noch sichtbaren, Haken dran.

Wiesbaden-App

Apps sind Software für Smartphones. Und von einer solchen Wiesbaden-App für Smartphones habe ich nie wieder etwas gehört.

Top-Level-Domain „.wiesbaden“

Davon habe ich erstmals im Wahlprogramm der CDU etwas gehört, danach aber auch nie wieder.

Schülerinnen und Schüler in einer digitalen Gesellschaft

Nun hat uns ja in 2020 diese Corona-Pandemie erwischt. Da wäre es schön gewesen, wenn man von 2016 bis 2019 diesen Punkt umgesetzt hätte. In Zeiten der Corona-Pandemie hätte man dann den Schulunterricht darauf aufbauen können, weshalb das heute gut laufen würde. Wie sagte vor etlichen Jahren ein Polit-Philosoph: Hätte, hätte, Fahrradkette.

Glasfaser

In den vergangenen 5 Jahren ist nichts derartiges geschehen. Zwar will die Telekom in 2021 jetzt in Wiesbaden in 2 Gebieten Glasfaser verlegen, aber dies ist eine geschäftliche Entscheidung des Unternehmens. Die DSL-Technik ist ausgereizt und somit muß das Unternehmen auf Glasfaser setzen. Dafür braucht man keine (Stadt)Politik.

Quelloffene, freie Software

Auch diese Forderung war schon mehrfach ein Thema dieses Blogs. Aber alle Vorstöße in diese Richtung wurden erfolgreich abgeblockt. Und so setzen wir weiterhin auf Software von Microsoft, .... (siehe: Bund: Microsoft-Kosten seit 2015 fast vervierfacht auf 178 Millionen Euro).

Behördennummer 115

Die Wahlperiode des Parlaments begann 2016. Nach 2 Jahren gab es dann einen Antrag der CDU im Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Netzpolitik: Behördennummer 115 vom 12.6.2018. Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen. Als Erinnerung daran gab es, wieder 2 Jahre später, einen Antrag der Grünen: Servicenummer 115 auch in Wiesbaden. Ich kann Ihnen leider nicht sagen, ob und wie es damit weiterging.

Meldedaten

An wen wurden im Jahre 2020 meine (und Ihre) Daten weitergegeben? Wer hat solche Daten angefordert? Wissen Sie das?

Smart City

Schauen wir kurz in die Wikipedia und lassen uns den Begriff erläutern:

Definition

Smart City ist ein Begriff, der seit den 2000er Jahren von unterschiedlichen Akteuren in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Stadtplanung verwendet wird, um technologiebasierte Veränderungen und Innovationen in urbanen Räumen zusammenzufassen.

Quelle: Smart City in der Wikipedia

Auch zu diesem Gebiet sind mir keine Aktivitäten aus der Stadtpolitik bekannt.

Hackerangriffe

Sie finden Nachrichten über erfolgreiche Angriffe von aussen auf die Computer und Netze von Unternehmen und Verwaltungen in den Medien. Die folgenreichste Hackerattacke war die auf das Unternehmen Maersk: Hacker legen weltweit Firmen lahm. Angeblich mussten danach 45.000 Computer neu aufgesetzt werden. Auch die Uniklinik in Düsseldorf war vor ca. 5 Monaten angegriffen worden, erfolgreich: IT-Ausfall an der Uniklinik Düsseldorf . Ich könnte viele weitere Beispiele anführen.

Auch auf diesem Blog hatte ich auf Schwachstellen in Computersystemen hingewiesen (siehe meine Aufstellung in den Anmerkungen am Ende dieses Textes). Dies war vor 4 Jahren, und damals hatte es Monate gedauert, bis diese Lücke geschlossen wurde. Trotz der Forderungen im Programm der GRÜNEN war kein Problembewusstsein vorhanden.

Ich kann Ihnen leider nicht mitteilen, wie der Stand heute ist, da ich diese Frage nicht weiterverfolgt habe. Mir waren die damaligen Diskussionen zu nervig, was Sie auch an meinen Texten erkennen können.

PIWi

Über das Politische Informationssystem Wiesbaden (PIWi) können Sie sich hier informieren: Das neue Politische Informationssystem Wiesbaden (PIWi).

In der aktuell laufenden Wahlperiode wurde PIWi überarbeitet und neu gestaltet. Nach 2 Verschiebungen und mit Unterstützung externer Partner wurde PIWi in der neuen Form im Oktober 2018 gestartet.

An diesem Punkt können wir somit einen Haken dran machen.


Themen der letzten 5 Jahre

Themen aus dem Bereich IT standen nicht im Vordergrund der politischen Diskussionen. In den Diskussionen der letzten Jahre standen die Namen AWO, der frühere Oberbürgermeister Sven Gerich, Herr Ralph Schüler, Herr Ralph Kuffler, das Buch von Herrn Hetrodt, Jugendwerkstatt, ...... aber mir sind da bestimmt etliche Schlagworte entfallen.


Fazit

IT-Themen standen nicht im Fokus der Arbeit der Stadtverordneten. Auch der Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Netzpolitik beschäftigte sich mit allen möglichen Fragen, aber eher weniger mit IT-Themen, wie ein Blick auf die Tagesordnungen der Sitzungen dieser Wahlperiode zeigt. Und so wundert es auch nicht, daß nur wenige der in den Wahlprogrammen geäusserten Vorschläge realisiert wurden. Dabei zeigte die Corona-Pandemie auf, wie wichtig gut ausgebaute Netzwerke und Computersystem sind. Manch eine Aussage im Wahlprogrammen war halt doch nur eine Aussage vor einem Wahltermin.

Trotzdem sage ich: Bitte gehen Sie am 14. März wählen, sei es in Ihrem Wahllokal oder per Briefwahl. Und wählen Sie die Partei bzw. die Kandidaten danach aus, was Ihnen wichtig erscheint. Und für mich ist dies IT.


Mein(e) Fehler?

Habe ich einen Punkt übersehen? Oder einen Punkt aus dem Wahlprogramm einer Partei falsch bewertet?

Ich bin offen für Kritik. Sie können mir gerne eine Mail dazu schreiben. Für diesen Zweck gibt es einen Eintrag am rechten Teil des Bildschirms: "Sie können mir hier eine Mail schicken".


Nachtrag

Recycling ist in, Wiederverwendbarkeit von Produkten ist eine gute Sache.

Bei den Recherchen für diesen Text stolperte ich über diesen Text auf meinem Blog: Lasst 100 WLANs funken. Darin zitierte ich aus dem Wahlprogramm der SPD für die Kommunalwahl 2011, in dem die Einrichtung von öffentlichen WLANs an markanten Orten gewünscht wurde.

2011 war eine Wahl und WLANs wurden gefordert, 2016 war eine Wahl und WLANs wurden von allen grossen Parteien gefordert. Mal schauen, was in den Wahlprogrammen zur Kommunalwahl 2021 so drin steht. Und falls in der nun folgenden Wahlperiode wieder nichts geschieht, kann man die Forderung nach WLANs ja in der Kommunalwahl 2026 erneut stellen. Ich glaube, diese Forderung ist so gut, die kann man auch mehrfach verwenden.


Anmerkungen:
1) Hier finden Sie die Texte aus dem Jahr 2017: und dann endlich Erfolg: