Freitag, 2. Oktober 2020

Suche die Zahl 64879


In Wiesbaden setze ich mich am Markt vor den Eingang zum Stadtmuseum und suche dort die Zahl 64879. Warum ich dies mache, und wie ich dies mache, das möchte ich in diesem Text darstellen. Kurzfassung: Es geht um Corona.


Vorbemerkung

CWA ist eine Abkürzung, die in diesem Text häufiger verwendet wird. Sie steht für Corona-Warn-App, ein Stück Software, das Sie bitte auf Ihr Smartphone (Android oder iPhone) laden und installieren. Diese Software wurde im Auftrag der Bundesregierung entwickelt und dient der Eindämmung des Coronavirus, das uns seit etlichen Monaten beschäftigt.


Corona Warn App

Die Aufgabe dieser App ist es, die Umgebung nach anderen Smartphones mit ebenfalls installierter App abzusuchen. Im Falle einer gefundenen App tauschen diese beiden Smartphones bzw. die darauf installierten Apps einige Informationen aus im Sinne von "wir sind uns über den Weg gelaufen". Dies geschieht mit allen Smartphones, die in Ihrer Nähe auftauchen, sofern Sie Ihr Smartphone dabei haben und auf diesem die App installiert haben.

Und sofern eine der Personen, die Ihnen in den letzten 14 Tagen begegnet sind, Symptome verspürt und mit positivem Ergebnis getestet wird, sollte diese Person diese Information in die App eingeben. Über einen zentralen Server werden diese Informationen ausgewertet und alle Personen informiert, die dieser Person "über den Weg gelaufen" sind. D.h. auf Ihrem Smartphone (in der App) taucht dann ein entsprechender Hinweis auf. Sofern Sie einen solchen Hinweis erhalten, sollten auch Sie sich testen lassen.

Auf der Seite des Robert Koch Instituts (siehe: Infektionsketten digital unterbrechen mit der Corona-Warn-App) finden Sie weitere Informationen zu dieser Krankheit und zur App. Informationen zur Arbeitsweise dieser App finden finden Sie hier: So funktioniert die Corona-Warn-App im Detail (PDF, 2 MB, Datei ist nicht barrierefrei). Diese App wurde bis jetzt ca. 18 Mio.-mal heruntergeladen (Quelle: Aktuelle Kennzahlen zur Corona-Warn-App, u.a. Downloadzahl (PDF, 596 KB, Datei ist nicht barrierefrei).


NEIN

In in diesem Text finden Sie keine Erläuterungen zu (Un)Sinn von Corona. Sie finden auch keine Abhandlungen über Einschränkungen von Grundrechten, Repressionen durch Lockdown, eingeschränkte Familienfeiern, der Rolle von Bill Gates, (Un)Sinn von Masken, der Programmierung der App, des "Chippens" durch einen Impfstoff, der Bedeutung von 5G für die Verbreitung von Corona, Gedankenkontrolle, und auch nichts zu QAnon.

Sofern Sie zu einem dieser Themen Informationen suchen, wenden Sie sich bitte an eine Suchmaschine Ihres Vertrauens, die Sie zu hervorragenden Verschwörungstheorien führt und somit alle Ihrer Fragen restlos beantwortet.


Wird die App eingesetzt?

Ich möchte mich in diesem Text nur mit der Frage beschäftigen, ob diese App im Einsatz ist.

Die Zahl der Downloads der App ist beachtlich, aber sie sagt nichts aus über den Einsatz. Also müsste man dies überprüfen. Wie kann man das machen?

Die App läuft auf einem Smartphone, muß natürlich aktiv sein und benötigt Bluetooth, das am Smartphone ebenfalls aktiv sein muß. Bluetooth ist eine Funktechnik, die über kurze Strecken funken kann und schon lange als Standard in vielen Geräten eingebaut ist.

Im Falle eines Kontakts tauschen die beiden Apps per Bluetooth Informationen aus. Dazu muß eine App ankündigen, daß sich hier eine Corona-Warn-App befindet, die Kontakt mit einer entsprechenden anderen App aufnehmen möchte. Die App sendet also in kurzen Abständen Datenpakete, die genau dieses besagen: "Hallo, hier bin ich, und ich bin eine CWA". Und genau die Datenpakete mit dieser Ankündigung kann man auffangen und zählen. Und kommt damit zur Antwort auf die Frage: Wird die App eingesetzt?


Paxcounter

Es gibt viele Möglichkeiten, den Einsatz dieser App in der Praxis zu zählen. Hier finden Sie eine Aufstellung etlicher solcher Ansätze: Spass mit der Corona-Warn App (Zitat: "...wenn Technik Freaks ein zu langes Wochenende (bzw regnerischen Nachmittag) haben").

Ich möchte dazu den Paxcounter verwenden, den ich hier auf diesem Blog bereits beschrieben habe1). Diese Software zählt die Anzahl Smartphones mit eingeschaltetem WLAN oder Bluetooth. Schaltet man in dieser Software die Suche nach WLANs aus und nur die Suche nach Bluetooth ein, dann kann man mit dieser Software Smartphones mit aktivem Bluetooth zählen. In einer neuen Version der Software kann man zusätzlich zählen, wieviele Corona-Warn-Apps im nahen Umfeld gefunden werden.


0xFD6F

Und hier kommt die Zahl 64879 ins Spiel. Geräte mit Bluetooth bieten unterschiedliche Dienstleistungen an. So gibt es Kopfhörer, die über Bluetooth mit einem Smartphone gekoppelt werden und dann die Musik, die das Smartphone abspielt, über diese Kopfhörer ausgibt. Ebenfalls gibt es Lautsprecher, Freisprecheinrichtung, Drucker, PCs, Autos oder ......, eine Vielzahl von Geräten bietet Bluetooth und darüber sehr unterschiedliche Dienstleistungen an. Diese Dienste müssen sich kenntlich machen, wozu entsprechende Nummern vergeben werden. Die Corona-Warn-App hat die Nummer 64879 erhalten, d.h. die App versendet Datenpakete mit dieser Nummer, um auf sich aufmerksam zu machen. Man muß also nur Bluetooth-Datenpakete einsammeln und diese auf diese Nummer prüfen, dann hat man Corona-Warn-Apps gefunden.

In der IT-Branche schreibt man solche Zahlen aber üblicherweise nicht im Zehnersystem, sondern verwendet dazu ein System auf der Basis der Zahl 16, also hexadezimal. Und dann lautet diese Zahl FD6F (wir ITler schreiben dann 0xFD6F). Der Paxcounter, der Bluetooth kann, muß also in seinem Programm die Datenpakete nur auf diese Zahl prüfen und kann entsprechend die Zahl der Nutzer dieser App in der näheren Umgebung bestimmen.


Einschränkungen

Zählen kann man nur Geräte, Menschen ohne Smartphone werden nicht gezählt. Smartphones ohne diese App werden auch nicht gefunden. Und ein Smartphone mit dieser App, die aber nicht aktiviert wurde, wird auch nicht gefunden und somit auch nicht gezählt.


Ergebnisse

Lange Vorrede, Zahlen bitte: Hier die Ergebnisse der Messung am Samstag, 26.9., am Markt vor dem Eingang Stadtmuseum in der Zeit von ca. 12:45 bis 13:00 Uhr:

Datum Uhrzeit WLAN Blue-
tooth
CWA
25.09.2020 12:47:10 0 202 87
25.09.2020 12:48:10 0, 178 74
25.09.2020 12:49:10 0 165 74
25.09.2020 12:50:10 0 156 69
25.09.2020 12:51:10 0 149 67
25.09.2020 12:52:10 0 146 59
25.09.2020 12:53:10 0 159 71
25.09.2020 12:54:10 0 166 65
25.09.2020 12:55:10 0 155 66
25.09.2020 12:56:10 0 161 69
25.09.2020 12:57:10 0 172 77
25.09.2020 12:58:10 0 182 73

Die erste Spalte enthält das Datum der Messung, die zweite Spalte die Uhrzeit (beide Daten wurden von Hand eingefügt, da die Paxcounter-Hardware in der von mir verwendeten Version keine eingebaute Uhr hat). Die dritte Spalte enthält die Anzahl WLAN-Verbindungen, aber dieser Wert ist immer 0, da die entsprechende Funktion in der Software ausgeschaltet wurde. Die vorletzte Spalte enthält die Anzahl der innerhalb von 60 Sekunden2) gefundenen Smartphones, sofern diese Bluetooth eingeschaltet haben. Die letzte Spalte wiederum enthält die Anzahl Corona-Apps auf diesen Geräten.

Insgesamt ergibt sich als Aussage, daß an diesem Tag und Ort auf ca. 40 bis 45% aller gefunden Smartphones diese Corona-App gefunden wurde.


Bewertung

Bei den gefundenen Zahlen muß man berücksichtigen, daß es immer noch Menschen ohne Smartphone gibt (oder sie ihr Gerät vergessen haben), die somit nicht gezählt wurden. Und je nach Gruppe (Rentner, Jugendliche, ...) wird die Zahl gefundener Apps höher oder niedriger sein. Auf einer Querdenker-Demo dürften man nur wenige CWAs finden, während es im Rahmen des Tests der Software auf einem kleinen privaten Treffen einmal über 50% der Anwesenden diese App installiert hatten.

Ich versuche mal eine Schätzung: Etwa 25 bis 30% der Bevölkerung hat diese App auf dem Smartphone installiert und aktiviert.

Ein Urteil über diese Zahl möchte ich nicht abgeben.

Vor einigen Tagen fand ich in der FAZ einen Artikel, der sich mit der App beschäftigte. Daraus möchte ich einen Punkt zitieren:

Ob die Warn-App bei der Eindämmung der Pandemie hilft, hängt neben der Nutzerzahl vor allem davon ab, ob Betroffene es auch in der App melden, wenn sie positiv auf das Virus getestet wurden.

Quelle: Ignorierte App in der FAZ vom 25.9.2020 S. 21




Anmerkungen:
2) Nach 60 Sekunden werden die Daten gelöscht, d.h. die Anzahl wird auf 0 zurückgesetzt. Dann beginnt die Zählung wieder von vorne.